ENTWEIHT
da ich mich so oder so an seine Fersen heften werde, dürfte die größte Gefahr wohl darin bestehen, unvorbereitet zu sein.«
Daraufhin erzählte sie ihm, was er wissen wollte: die Grundlage von Luigi Castellanos Macht, wo er sich wahrscheinlich aufhalten würde und mit wie vielen Soldaten er sich umgab.
Anscheinend blieb ihr dazu gerade noch genug Zeit. Ihre Stimme verhallte und wurde vom Wind rasch verweht; sie endete mit einem Seufzen und etwas, was ein Kuss sein mochte, fast wie die Berührung eines Regentropfens auf Jakes hagerer, unrasierter Wange. Dann war sie weg.
Dachte er jedenfalls …
Doch kaum war Jake (und mit ihm Korath) verschwunden, kaum prasselten die ersten richtigen Tropfen aus einem sich stetig verdunkelnden Himmel und brachten immer heftigere Böen mit sich, die sich zu einem regelrechten Sturm auswuchsen, sagte Zek Foener: Danke, Natascha! Es war nur ein Flüstern im metaphysischen Äther, mehr nicht. Danke, dass du ihm seinen Seelenfrieden wiedergegeben und ihm geholfen hast, den richtigen Weg zu finden. Es ist dir sicher nicht leicht gefallen, sein Gewissen auf diese Weise zu beruhigen.
Doch, im Grunde genommen schon, sagte Natascha. Ihre Antwort war bloß ein Hauch. Eigentlich ist es nämlich zur Hälfte wahr: Jake wäre tatsächlich mein Ausweg aus diesem Chaos gewesen.
Dann werde ich nicht danach fragen, ob du ihn wirklich geliebt hast, sagte Zek.
Und ich werde nicht darauf antworten, entgegnete Natascha. Aber jetzt ist Jake frei und kann sein eigenes Leben leben. Die Erinnerung an mich ist nichts als überflüssiges Gepäck, das er nicht länger mit sich herumschleppen muss.
Dafür möchte ich dir danken, sagte Zek. Für deine selbstlose Haltung. Weißt du, auch ich hatte meine Probleme, und nun hast du sie gelöst. Denn du hast recht, Natascha: Die Freiheit ist alles. Und es gibt noch jemanden, den ich gerne befreien würde, wenn ich nur wüsste, wie.
Während der Sturm an Kraft gewann und Blitze den Himmel über der verlassenen Brücke am Fuß der provenzalischen Alpen erhellten, verklangen die Stimmen der beiden und wurden auseinandergetrieben; Zek kehrte zu ihrer Mission im Namen des neuen Necroscope zurück und Natascha blieb fest entschlossen, ihren eigenen Weg zu gehen, für den sie sich auf ihrer Suche nach absoluter Freiheit entschieden hatte.
Natascha zumindest hatte nun, was sie wollte; die ganze Welt stand ihr offen ...
Vierundzwanzig Stunden später gönnten sich in einem staubigen, mit grob behauenen sechseckigen Steinplatten ausgelegten Gelass in den weitläufigen Kellern unter Luigi Castellanos in der Nähe von Bagheria gelegener Villa der Hausherr und sein Stellvertreter eine kurze Pause von ihren grausigen Anstrengungen, um sich miteinander zu unterhalten.
»Du hast gute Arbeit geleistet«, sagte Castellano. Der rötliche Schein der Fackeln spiegelte sich in seinen blutroten Augen, während sein düsterer Blick sardonisch über die Werkzeuge schweifte, mit deren Hilfe Garzia einen gewissen Gentleman aus Russland, ihren Moskauer Besuch, verhört hatte. Garzias Gerätschaften lagen auf einem steinernen Tisch, auf den er sie achtlos geworfen hatte: gummiüberzogene Hämmer mit Bleikern; zwei miteinander verbundene Metallbecher, jeweils von der Größe eines Hühnereis, die man mithilfe geriffelter Schrauben am empfindlichsten Körperteil eines Mannes festzurren konnte; ein eiserner Kopfreif, aus dem weitere Schrauben ragten, und zwar so angeordnet, dass sie über den Augen und Ohren des Trägers zu liegen kamen. Außen waren sie ebenfalls geriffelt und an der Innenseite spitz zugefeilt. Daumenschrauben, Zangen, wie Löffel geformte Meißel und so weiter. Das reinste Foltermuseum.
»Lauter Antiquitäten«, erwiderte Garzia, indem er seine Ärmel herabkrempelte. »Meine Sammlung. Du hast deine Schätze, aus der Manse Madonie. Mir hingegen sagt das hier mehr zu. Ich habe gehört, Wahrheitsdrogen sollen die gleiche Wirkung haben, aber wo bleibt dabei das Vergnügen?«
Aus dem angrenzenden Raum erscholl ein leises Stöhnen, und der Vampir Castellano spitzte die Ohren, um zu lauschen. »Er ist wieder bei Bewusstsein«, sagte er. »So früh! Erstaunlich hart im Nehmen, dieser Kerl, findest du nicht? Er hat sich gut gehalten und außergewöhnlich lange geschwiegen – anfangs zumindest.«
»Ihm war klar, dass die Wahrheit seinen Tod bedeutet«, meinte Garzia achselzuckend.
»Doch als er begriff, dass der Tod das kleinere Übel sein und er es so oder so nicht
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