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ENTWEIHT

ENTWEIHT

Titel: ENTWEIHT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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nicht widerstehen – wer von uns konnte das schon? Denn wenn diese Hexe Vavara erst einmal ihren Charme spielen lässt, wird jede weich. Also wickelte sie Sara um den kleinen Finger. Aber Sara erlag der Liebe, nicht der Begierde. Und bei einem so wunderschönen Geschöpf wie Vavara hielt sie es für ein Geschenk des Himmels und nicht der Hölle.
    Aber natürlich war unsere Mutter Oberin, Eileen, die Erste, die den Preis zahlen musste. Sie war alt und schwach und hatte Vavara nichts entgegenzusetzen. Als Vavara hier ankam – so wunderschön, so reuevoll und einzig von dem sehnlichen Wunsch erfüllt, eine von uns zu werden – wie hätte Eileen sie da abweisen können? Sie konnte ja nicht wissen, dass diese Frau ihr nur etwas vormachte; Vavara hielt das blutrünstige Ding in ihrem Innern im Zaum und niemand ahnte etwas, bis es zu spät war. Ja, natürlich ließ die alte Eileen sich täuschen und nahm sie auf. Aber die Hexe sah keine Notwendigkeit, sie zu einer der ihren zu machen. Die Mutter Oberin war so zerbrechlich wie ein verdorrtes Blatt im Herbst, völlig ausgetrocknet und stellte keine große Herausforderung dar.
    Genau drei Monate nach Vavaras Ankunft war Eileen tot und wurde hier in der Krypta beigesetzt. Aber befindet sie sich immer noch dort? Oh, nein! Denn was Vavara betrifft, lässt sich selbst eine tote Frau noch verwerten. Und die alte Eileen, sie stammte aus meiner Heimat, und ich weiß, dass sie eine Heilige war … und ich weiß auch, dass sie keines natürlichen Todes starb, sondern auf Vavaras Geheiß. Umso mehr Grund, diese Vampirin zu verabscheuen.
    Na ja, als Nächste kam Sara dran. Sie wurde rekrutiert und für immer verwandelt. Doch als sie merkte, dass Vavara weitermachte – und begriff, dass sie lediglich die Erste einer langen Reihe war, die schließlich das gesamte Kloster aufbrauchen würde – da begann Sara, sich ihr zu widersetzen. Ah, ihr Hass war nicht minder stark als ihre Liebe. Hinzu kamen ihr Überlebenswille und die Bereitschaft, das Böse zu bekämpfen, das über uns gekommen war.
    Vavara sperrte sie ein – um ›Buße‹ zu tun, sagte sie jedenfalls, die raffinierte Hexe! – und fuhr unterdessen damit fort, alle Schwestern zu rekrutieren, die etwas zu sagen hatten. Im Handumdrehen gehörten sie zu den ihren. Aber dürfen wir deshalb schlecht von ihnen denken, selbst so, wie sie jetzt sind? Nein, denn als Hypnotiseurin ist diese Kreatur unübertroffen. Alles, was gut an den Schwestern war, schaltete Vavara einfach aus, genauso wie sie das Licht abgestellt hat, ja, und alles, was schlecht war, brachte sie zum Vorschein. Denn tief im Innern sind wir im Grunde alle verdorben, wie du ja sicherlich weißt, Anna. Deshalb sind wir doch hier, ja ...«
    »Aber das ist nicht wahr!«, stieß Anna hervor. »Oder vielleicht doch, nun, wo sie uns dazu gebracht hat, uns Gedanken über solch schlimme Sachen zu machen. Aber, bitte, sag, dass es nicht immer so war?«
    Delia nickte. Sie seufzte. »Ja, schon gut, du hast ja recht. Die meisten unserer Schwestern befanden sich hier aufgrund ihrer Reinheit – sie waren so unschuldig wie Engel – und nur eine kleine Handvoll, zu der ich gehöre, um ein besserer Mensch zu werden. Oh, ja, und ich hatte es wirklich nötig. Aber es bringt nichts, das Schlechte zu leugnen, Anna, oder sich vorzumachen, dass es nicht existiert. Denn wenn dies der Fall wäre, weshalb hätte es dann überhaupt eine von uns nötig gehabt, hierherzukommen? Und außerdem haben wir Vavara, den lebenden Beweis für das Böse in der Welt. Sie hat uns mit ihrem Schmutz besudelt, und alles Gute ist von uns gewichen. Darum wolltest du auf manches von dem, was ich sagte, gar nicht hören. Denn wenn mein Kopf wieder klar ist, dann weiß ich, dass es bloß das scheußliche Zeug in meinem Blut ist – das Böse, das sie darin eingepflanzt hat – das mich so denken und reden lässt.«
    »Wir waren nicht stark genug!«, meinte Anna händeringend. »Wie der Herr hätten wir diesen Teufel einfach hinter uns lassen sollen ...«
    »Ha!«, machte Delia. »Du müsstest dich einmal hören – so ein Unsinn! Woher, glaubst du, sollte ein Sterblicher diese Kraft nehmen? Allein aus dem Glauben? Ich wünschte, es wäre so, aber Fleisch ist Fleisch und Eisen ist nun mal Eisen. Und Vavara ist Eisen! Versuche doch, ihr zu sagen, du hättest sie gerne hinter dir … und, oh, glaube mir, sie wird es tun!«
    Als Delia innehielt, um Atem zu holen und ihre Gedanken zu ordnen, keuchte Anna leise auf.

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