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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Soldaten standen sie nebeneinander hinter den Glastüren eines wuchtigen Bücherschranks.
    Unwillkürlich verglich sie diese ordentliche kostbare Bibliothek mit Parkers planlos voll gestopften Regalen. Das teure Mobiliar dieses Raumes stand im starken Kontrast zu den Rattansesseln und Chintzkissen in Parkers Wintergarten. Diesen Raum zierte ein Marmorkamin, den man aus einem italienischen Palazzo gerettet und importiert hatte. Die hölzerne Kaminummantelung in Parkers Haus hatte ein Sklave namens Phineas geschnitzt.
    Und dabei wurde ihr eines klar: Sie liebte dieses Haus, diesen Raum und die schönen Kindheitserinnerungen, die beide in ihr wachriefen. Und doch sehnte sie sich nach St. Anne und nach Parkers Haus mit seinen knarzenden Dielenböden und dem gemütlichen Gästecottage samt der Badewanne auf Löwenfüßen.
    Sie vermisste das Klappern aus der Küche, wo Mike hantierte, und das Klicken der Tasten, wenn Parker mit zwei Fingern rasend schnell im Adler-Such-System tippte. Sie vermisste das seltsam harmonische Schrappen der Zikaden, das Rauschen der Brandung am fernen Strand, den Duft von Geissbart und das schwere Gefühl von Salzluft, die wie ein Mantel auf ihrer Haut lag, und – Parker.
    Sie vermisste Parker.
    »Denkst du gerade an ihn?«, fragte Daniel mit weicher Stimme und unterbrach damit ihre Gedanken. »Hat er dich traurig gemacht?«
    »Mich traurig? Kaum«, sagte sie mit heftigem Kopfschütteln. »Hat er mich wütend gemacht? Ja. Möchte ich ihn am liebsten eigenhändig erwürgen? Definitiv. Er ist die pure Provokation, angefangen mit der Einstellung zu seinem Beruf. Höchst selten akzeptiert er einen Vorschlag oder eine Kritik, ohne zuerst zu widersprechen, was dann unvermeidlich in einen heftigen Streit ausartet. Er versteckt sich in diesem Haus, auf dieser Insel. So hübsch beides ist, er sieht sie nur als Zufluchtsort. Eigentlich sollte er sich unter Menschen begeben. Normalerweise nutzt ein Schriftsteller jede Gelegenheit, die Trommel für seine Arbeit zu rühren. Er nicht, oh, nein. Er legt sich eine hochtrabende Haltung zu und tut so, als stünde er über allem. Aber ich weiß es besser. Sein ständiges Einsiedlerleben hat einen einzigen Grund: seine Behinderung.
    Ach, habe ich dir das schon erzählt, Pa? Er sitzt im Rollstuhl. Ich habe das erst erfahren, als ich ankam. Anfänglich war ich schockiert, denn bei unseren Telefongesprächen hat nichts darauf hingedeutet, dass er behindert ist. Höchstens vielleicht seine Manieren. Ich war total überrascht, aber nach einer Weile… Weißt du, Pa , aber es ist wirklich merkwürdig. Wenn ich ihn jetzt anschaue, sehe ich den Rollstuhl nicht einmal.«
    Sie hielt inne, um über diesen Satz nachzudenken. Wie wahr diese Aussage war. Mittlerweile bemerkte sie weder Parkers Stuhl, noch seine Behinderung. Wann war es so weit gekommen?
    »Vermutlich liegt das an seiner starken Persönlichkeit. Sie lässt seine Behinderung nicht nur irrelevant erscheinen, sie macht sie sogar unsichtbar. Er verfügt über einen außergewöhnlichen Wortschatz. Sogar seine derben Ausdrücke – man könnte sie sogar ordinär nennen – sind beeindruckend.
    Er hat einen versteckten Humor, der manchmal sogar heimtückisch ist. Andererseits kann er schrecklich missmutig sein, wozu er aber vermutlich auch das Recht hat. In seiner Lage wäre jeder wütend. Ich meine, er ist jung, in seinen besten Jahren. Deshalb kann man seine Verbitterung über ein Leben im Rollstuhl verstehen und verzeihen.
    Er ist gehemmt wegen seiner Narben, aber eigentlich ist das unnötig. Die Leute würden ihn sowieso attraktiv finden, egal, wie seine Beine aussehen. Besonders Frauen. Er sieht nicht wirklich… gut aus, besitzt aber… eine animalische Ausstrahlung. So könnte man das vermutlich nennen. Sogar wenn er still sitzt, spürt man eine starke Energie, die von ihm ausgeht.
    Wenn er mit dir spricht, fühlst du dich sofort von seinen Augen angezogen. Er schlägt dich so intensiv in seinen Bann, dass es seine Behinderung ausgleicht. An ihm ist nichts Schwächliches. In Wahrheit ist er sogar ziemlich stark. Seine Hände sind…«
    Seine Hände. Als er damit ihren Kopf festgehalten und sie geküsst hatte. Als er ihre Hüften umklammert und sie unbeweglich neben seinen Stuhl gebannt hatte. Jedes Mal hatten sie sich unglaublich kräftig und gebieterisch angefühlt. Und doch hatte er sie auch schon ganz leicht und geschickt, ja fast spielerisch berührt, damals als er ihr ein Blatt aus den Haaren gezupft

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