Envy-[Neid]
sagen, er habe ja Talent, aber leider passe sein Material nicht zur gegenwärtigen Verlagslinie. Sie wünsche ihm Glück, damit sein Buch bei einem anderen Haus ankäme.
Normalerweise jedoch trafen solche Antworten in Form von Absagebriefen ein, deren deutliche Sprache von weiteren Zusendungen Abstand nehmen ließ, aber doch noch so viel Positives enthielt, dass der abgelehnte Schreiber nicht gleich von der nächsten Brücke sprang.
Wie dem auch sei, Ms. Matherly-Reed wusste nicht, wohin sie ihm einen solchen Brief schicken sollte. Auf dem Postweg konnte sie ihn nicht erreichen, dafür hatte er gesorgt. Sollte sie also tatsächlich geplant haben, Neid abzulehnen, hätte er vermutlich nie von ihr gehört. Stattdessen hatte sie versucht, ihn aufzuspüren. Daraus schloss er auf eine positive Reaktion.
Trotzdem war es noch nicht so weit, den Champagner kalt zu stellen. Für die Verleihung eines Fleißbilletts an das oberschlaue Kerlchen war es noch ein bisschen früh. Bevor er sich zu weit mitreißen ließ, zwang er sich zu ruhigem Puls, normaler Atmung und klarem Kopf. Nicht von seinem bisherigen Tun hing Erfolg oder Scheitern ab, sondern vom nächsten Schritt.
Deshalb starrte er stundenlang durchs Fenster in die mondlose Regennacht hinaus, anstatt seinen Meilenstein zu feiern. Bis die Ebbe kam, wägte er seine Optionen ab. Und während seine entfernten Nachbarn auf St. Anne schlummerten, zu später Stunde fernsahen oder unter ihren Sommerdecken miteinander schliefen, schmiedete Parker Evans ein Komplott.
Sein Wissen um das Ende dieser Story war dabei hilfreich. Nie tauchte der Gedanke auf, den ursprünglich vorgesehenen Ausgang zu ändern. Es kam nicht in Frage, Maris Matherly-Reeds Versuch, ihn zu erreichen, einfach nicht zu beachten und die Sache hier und jetzt fallen zu lassen.
Nein, jetzt war er schon so weit gekommen, jetzt wollte er unbedingt die Auflösung erleben. Allerdings durfte er sich zwischen hier und dann keinen einzigen Fehltritt erlauben. Jedes Kapitel musste sorgsam durchdacht werden. Fehler durften nicht passieren. Es musste der perfekte Plot sein.
Und sollte sein Entschluss, die Sache bis zum Ende durchzuziehen, je ins Wanken geraten, musste er sich nur in Erinnerung rufen, wie lange es gedauert hatte, diesen Punkt der Saga zu erreichen. Sechs Monate.
Nun ja… sechs Monate und vierzehn Jahre.
Maris tastete nach dem klingelnden Telefon und blinzelte zu den Leuchtziffern auf ihrem Nachttisch. Fünf Uhr dreiundzwanzig. Morgens. Wer…
Panik riss sie endgültig aus dem Schlaf. Jetzt war sie hellwach. War das jener gefürchtete unvermeidliche Anruf, der ihr mitteilte, dass ihrem Vater etwas zugestoßen war? Eine Herzattacke, ein Schlaganfall, ein Sturz? Oder noch schlimmer?
Besorgt umklammerte sie den Hörer. »Hallo?«
»Maris Matherly-Reed?«
»Am Apparat.«
»Wann hören Sie auf, in meinem Leben herumzuwühlen?«
Darauf war sie überhaupt nicht vorbereitet. Es dauerte einen Moment, bis diese grobe Frage bei ihr ankam.
»Verzeihen Sie? Wer spricht da?«
Sie setzte sich auf, knipste die Lampe an und griff zu Noah hinüber, um ihn zu wecken, doch sein Bett war leer. Mit offenem Mund starrte sie das glatte Betttuch und das immer noch pralle Kopfkissen an.
»Ihr Anruf beim Sheriff passt mir gar nicht«, fuhr sie der Anrufer an.
Wo ist Noah? »Tut mir Leid… Ich war… Sie haben mich im Schlaf überrascht… Sagten Sie Sheriff?«
»Sheriff, Sheriff. Dämmert’s?«
Sie schnappte nach Luft. »P.M.E.?«
»Ein Hilfssheriff ist zu mir nach Hause gekommen und hat hier herumgeschnüffelt. Zum…«
»Ich…«
»… Teufel, was bilden Sie sich eigentlich ein?«
»Ich…«
»Mischen sich in anderer Leute…«
»Sie…«
»… Leben ein. Besten Dank, meine Dame.«
»Würden Sie, bitte, eine Sekunde still sein?«
Ihr heftiger Ton brachte ihn abrupt zum Schweigen. Trotzdem spürte Maris, wie sein Groll weiter durchs Telefon schwappte.
Nachdem sie einige Male Luft geholt hatte, zwang sie sich zu normaler Lautstärke. »Ich habe Ihren Prolog gelesen. Er gefällt mir. Ich wollte gerne mit Ihnen darüber reden, wusste aber nicht, wie ich Sie kontaktieren sollte. Sie haben mir keine Möglichkeit dazu gegeben. Deshalb habe ich im Sheriffbüro angerufen, in der Hoffnung, dass …«
»Schicken Sie’s zurück!«
»Verzeihung?«
»Den Prolog. Schicken Sie ihn zurück.«
»Warum?«
»Weil er Mist ist.«
»Weit gefehlt, Mr….«
»Ich hätte ihn nicht schicken sollen.«
»Ich bin froh,
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