Envy-[Neid]
einer Woche, und außerdem hattest du zehn Jahre Vorsprung.«
Er grinste angesichts ihrer Übertreibung. »Diese Bemerkung werde ich nicht kommentieren. Der Punkt ist doch der: Dich habe ich geheiratet.«
»Und damit den ganzen Spaß geopfert.«
Lachend klopfte er auf die Stelle neben sich im Bett.
»Warum hörst du nicht mit diesem Unsinn auf, ziehst die Krallen ein und verzeihst mir schlicht und einfach? Du weißt genau, dass du nichts lieber tun möchtest.«
Mit gespielter Boshaftigkeit kniff sie die Augen zusammen. »Sei dir da nicht so sicher.«
»Maris?«
Zögernd ging sie auf ihn zu. Als sie immer noch Abstand wahrte, streckte er die Hand so weit aus, bis er sie fassen und neben sich aufs Bett ziehen konnte. Er steckte ihr eine Haarsträhne hinters Ohr und küsste sie auf die Wange. Sie mimte die Widerspenstige, allerdings nicht lange.
Am Ende ihres ersten langen Kusses flüsterte sie:
»Danach habe ich mich gestern den ganzen Tag gesehnt.«
»Du hättest nur fragen müssen.«
»Habe ich.«
»Hast du«, seufzte er bedauernd. »Darf ich das wieder gut machen?«
»Besser spät als nie.«
»Hast du nicht heut Abend eine Bemerkung über überflüssige Pyjamahosen gemacht?«
Binnen kurzem waren beide splitterfasernackt. Während er an ihrem Nacken knabberte, fragte er: »Wer hat denn angerufen?«
»Hmm?«
»Der Anruf, der uns aufgeweckt hat. Wer war das?«
»Das kann warten.« Sie ergriff die Initiative und führte seine Hand über ihren Bauch zu ihrem Venushügel.
»Noah, wenn du jetzt noch reden willst, dann schmutzig.«
Kapitel 4
Daniel Matherly legte das Manuskript zur Seite und kniff sich nachdenklich mit Daumen und Zeigefinger in die Unterlippe.
»Was hältst du davon?«, fragte Maris. »Bilde ich mir das nur ein, oder ist es wirklich gut?«
Sie nutzten den milden Morgen zu einem Frühstück unter einer schattigen Platane im Innenhof von Daniels Stadthaus in der Upper East Side. Terrakottatöpfe mit blühenden Blumen sorgten für Farbtupfer innerhalb der Ziegelmauern.
Während Daniel den Prolog zu Neid las, hatte Maris Maxine bei der Vorbereitung geholfen. Maxine, die Haushälterin der Matherlys, war schon ein ganzes Jahrzehnt vor Maris’ Geburt praktisch ein Mitglied der Familie gewesen.
Heute Morgen war sie ganz die Alte, protestierte mürrisch gegen Maris’ Anwesenheit in der Küche und kritisierte sie wegen der Art und Weise, wie sie den frischen Orangensaft auspresste. In Wahrheit liebte diese Frau sie wie eine Tochter und hatte seit dem Tod von Maris’ Mutter in der Grundschulzeit ersatzweise diese Rolle eingenommen. Maris nahm den rauen Ton der Haushälterin als das, was er war: ein Ausdruck ihrer Zuneigung.
Stumm hatten Maris und Daniel ihr Eiweiß-Omelett mit gegrillten Tomaten und Vollkorntoast verspeist, während er den Prolog zu Ende las. »Danke, Maxine«, sagte er jetzt, als sie herauskam, um ihre Teller abzuräumen und Kaffee nachzuschenken. »Und außerdem, meine Liebe« , sagte er zu Maris, »ist es gut.«
»Ich bin froh über diese Meinung.«
Sie freute sich nicht nur über seine Bestätigung ihrer eigenen Einschätzung, sie war ihr auch viel wert. Ihr Vater war vielleicht der einzige Mensch auf der Welt, der mehr Bücher gelesen und wieder gelesen hatte als sie. Eventuell geteilte Meinungen über ein Buch waren auf ihre individuellen Geschmäcker zurückzuführen. Trotzdem konnten beide unterscheiden, was gut geschrieben war und was nicht.
»Ein neuer Schriftsteller?«
»Keine Ahnung.«
Er reagierte überrascht. »Das weißt du nicht?«
»Dies war ein in jeder Hinsicht ungewöhnliches Manuskript.« Sie erklärte, wie es zur Lektüre des Prologs gekommen war, und wie wenig sie über den schwer fassbaren Autor wusste. Zuletzt berichtete sie von ihrem frühmorgendlichen Telefongespräch mit ihm.
Am Ende fragte sie verärgert: »Wer benutzt schon ausschließlich Initialen? Das ist kindisch und ganz einfach verrückt. Wie TAFKAP, der früher mal Prince hieß.«
Daniel lachte in sich hinein, während er Milchersatz in die letzte erlaubte Tasse Kaffee für heute rührte. »Meiner Ansicht nach bringt das einen geheimnisvollen Hauch von Romantik.«
»Ein Landplage ist er«, spottete sie.
»Zweifelsohne. Widerspruchsgeist gehört unweigerlich zu jedem guten Schriftsteller. Selbstverständlich auch zu einem schlechten.«
Während er über den rätselhaften Autor nachdachte, studierte Maris ihren Vater. Wann war er nur so alt geworden?, dachte sie alarmiert. So
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