Envy-[Neid]
ersten war ihm so übel geworden, dass er sich übergeben musste. Anscheinend gab es gegen diesen speziellen Schmerz keine wirksame Droge.
Noch immer drehte er Mike den Rücken zu, schaute mit brennenden Augen weiter auf die Brandung hinaus.
»Maris hat sich gestern Abend wegen ihres Vaters Sorgen gemacht. Vielleicht hatte sie eine Vorahnung.«
»Würde mich nicht überraschen. Sie hatten eine sehr enge Bindung.«
Nach Noahs Anruf hatte sie trotz ihres völligen emotionalen Zusammenbruchs so viel Geistesgegenwart besessen, Mike zu erzählen, dass ihr Vater in ihrem Landhaus die Treppe hinuntergestürzt war. Man hatte ihr erklärt, er sei sofort tot gewesen. Genickbruch. Das alles war mitten in der Nacht passiert.
Noah sei vom Lärm aufgewacht und Daniel sofort zu Hilfe geeilt. Als keine Reaktion mehr erfolgte, habe er den Notarzt gerufen. Binnen weniger Minuten sei der örtliche Notdienst im Haus gewesen. Aber vergebens. Daniel Matherly war tot.
Noah hatte sich geweigert, die Aussage der Sanitäter zu akzeptieren. Der Krankenwagen war in das kleine Krankenhaus am Ort gerast, wo die Ärzte Daniel offiziell und unwiderlegbar für tot erklärten. Noah hatte es für sinnlos gehalten, Maris vor Tagesanbruch anzurufen.
»Wahrscheinlich hat sie Schuldgefühle, weil sie nicht da gewesen ist«, sagte Parker.
»Sie hat so was Ähnliches auf der Rückfahrt gesagt.«
»Wie war sie bei der Abreise?«
»Was meinst du wohl, Parker?«
Obwohl ihn Mikes schneidende Retourkutsche die Stirn runzeln ließ, stellte er sie nicht in Frage. Er hatte auf eine dumme Frage eine eindeutige Antwort bekommen.
»Wahrscheinlich kam sie sich vor, als hätte man sie durch einen Häcksler gejagt.«
»Wozu du sicher deinen Teil beigetragen hast.«
Im Gegensatz zu seiner ersten scharfen Bemerkung erzwang diese eine Reaktion. Parker drehte sich um.
»Möchtest du damit andeuten, dass ich der Böse war?«
»Das weißt du auch ohne einen Kommentar von mir.«
»Mike, was hast du vor? Mich in die Ecke stellen? Mir einen Monat lang Hausarrest geben? Meine Fernsehzeit einschränken? Mir mit einem Lineal auf die Finger klopfen?«
»Offen gestanden dachte ich daran, dich durch einen Häcksler zu jagen.«
Obwohl Parker dies selbst für die verdiente Mindeststrafe hielt, passte es ihm nicht, es von jemand anderem zu hören.
Solche Gedanken durfte nur er selbst hegen. »Maris ins Bett zu locken, gehörte zum Plot. Darauf bist du wahrscheinlich schon selbst gekommen.«
»Bin ich, was aber nicht heißt, dass es mir gefällt.«
»Darum hat dich auch niemand gebeten«, fauchte Parker.
»Hat es dir das denn?«
»Was hat es mir?«
»Gefallen.«
Ihm lag bereits eine scharfe Antwort auf der Zunge, aber unter Mikes schneidenden Blicken wurde er unsicher , wandte den Kopf ab und nuschelte: »Irrelevant.«
»Das glaube ich nicht. Meiner Ansicht nach ist das für deine weitere Vorgehensweise nicht nur relevant, sondern sogar der Knackpunkt.«
Parker wandte sich wieder seiner Tastatur zu.
»Entschuldige mich, ich versuche gerade zu schreiben.«
»Fein. Dreh mir ruhig den Rücken zu. Starr auf den blanken Bildschirm. Zähl das Cursorklicken bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Mir ist das egal. Mach dir nur vor, du würdest schreiben. Wir beide wissen, dass du’s nicht tust.«
Wieder drehte sich Parker um. Diesmal wütend.
»Offensichtlich bist du zu einem Schluss gekommen, der dir auf der Zunge brennt. Also spuck ihn aus. Raus damit. Weiß Gott, sonst werde ich keine Minute Frieden haben.«
Der Ältere weigerte sich, gekränkt zu sein. »Parker, ich werde nicht mit dir streiten«, sagte er ruhig. »Und doch, ja, ich werde dir etwas sagen, das du unbedingt hören musst.« Ohne sich um Parker zu kümmern, der die Augen verdrehte, fuhr er fort: »Du hast dich selbst zu neuem Leben erweckt, als es praktisch vorbei war. Ich habe dir dabei zur Seite gestanden. Ich habe dich gepiesackt und nie in Ruhe gelassen. Aber getan hast du es. Das war eine Heldentat. Du hast unglaubliche Hürden überwunden, und dafür gebührt dir Lob. Sämtliche Chancen standen gegen dich, du hast sie gewendet. Du hast nicht nur dein Leben wieder in die richtigen Bahnen gelenkt, sondern es auch noch bereichert.«
»Tjaja, ich.«
Diese bissige Unterbrechung blieb unkommentiert. Unbeirrt fuhr Mike fort: »Dein Körper wurde geheilt, aber nicht deine Seele. Sie hat tausendmal mehr Schaden genommen als deine Beine. Deine Seele ist weit verdrehter, als sie es je waren. Nägel und
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