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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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lange sie sich erinnern konnte, hatte er weiße Haare, aber schütter waren sie erst seit kurzem. Ihre Mutter Rosemary war die zweite, fünfzehn Jahre jüngere Frau des verwitweten Daniel gewesen. Bei Maris’ Geburt hatte er die Lebensmitte bereits überschritten gehabt.
    Trotzdem war er physisch aktiv geblieben. Murrend achtete er auf seine Figur. Das Zigarettenrauchen hatte er schon vor Jahren eingestellt. Nur die Trennung von seiner Pfeife verweigerte er. Da er die Verantwortung eines allein erziehenden Vaters übernommen hatte, hatte er in kluger Voraussicht den Alterungsprozess so weit wie möglich verlangsamt.
    Erst kürzlich hatten ihn die Jahre offensichtlich eingeholt. Zur Entlastung und Unterstützung seiner arthritischen Hüfte benutzte er manchmal einen Stock, beklagte sich allerdings darüber, wie klapprig er damit wirke. Obwohl das so nicht zutraf, vertrat auch Maris insgeheim die Ansicht, der Stock schmälere die robuste Erscheinung, die man immer mit ihm in Verbindung gebracht hatte. Auf seinen Händen zeigten sich immer dunklere Pigmentflecken, und seine Reflexe schienen nicht so gut zu sein, wie noch vor wenigen Monaten.
    Nur seine Augen blickten wie eh und je hell und bezwingend, als er sich jetzt mit der Frage an sie wandte:
    »Ich weiß nur nicht so recht, was das alles soll.«
    »Was alles, Pa?«
    »Die fehlende Adresse bzw. Telefonnummer. Und dann dieser Anruf heute morgen. Seine Behauptung, der Prolog sei Mist. Und so weiter.«
    Sie erhob sich aus ihrem Sessel, ging zu einer Topfgeranie hinüber und zupfte ein welkes Blatt ab, das Maxine übersehen hatte. Maris hatte die Haushälterin beschworen, sich eine Brille zu besorgen, aber sie behauptete, sie könne noch genauso gut sehen wie vor dreißig Jahren. Worauf Maris erwidert hatte: »Genau. Du bist schon immer blind wie ein Maulwurf gewesen und viel zu eitel, um etwas dagegen zu tun.«
    Während sie geistesabwesend den braunen Blattstängel zwirbelte, dachte sie über die Frage ihres Vaters nach. »Er wollte gesucht und gefunden werden, stimmt’s?«
    Als Daniel sie anstrahlte, wusste sie, dass sie die richtige Antwort gegeben hatte. Mit dieser Methode hatte er ihr die ganze Schulzeit über bei den Aufgaben geholfen. Nie gab er ihr die Ergebnisse, sondern leitete sie nur dazu an, die Frage so lange zu überdenken, bis sie durch eigenes Deduzieren auf die korrekte Antwort kam.
    »Er hätte nicht anrufen müssen«, fuhr sie fort. »Wenn er nicht gefunden werden wollte, hätte er meine Telefonnummern wegwerfen können. Stattdessen ruft er zu einer Tageszeit an, zu der er garantiert im Vorteil ist.«
    »Und protestiert zu laut und zu heftig.«
    Stirnrunzelnd ging sie wieder zu ihrem schmiedeeisernen Sessel. »Ich weiß nicht, Pa. Er wirkte echt wütend, besonders wegen des Hilfssheriffs.«
    »War er vermutlich auch, was ich ihm nicht einmal verübeln kann. Trotzdem konnte er der Versuchung nicht widerstehen, mit dir Kontakt aufzunehmen, um zu hören, was du zu seiner Arbeit zu sagen hast.«
    »Für mich ist das ein schlagender Beweis. Dieser Prolog hat mich nachdenklich gemacht, besonders was den jungen Mann im Boot anbelangt. Wer ist er? Wie sieht seine Story aus? Was war der Anlass für den Streit zwischen ihm und seinem Freund?«
    »Neid«, merkte Daniel an.
    »Hältst du das nicht auch für kontrovers? Neid worauf?
    Wer beneidete wen?«
    »Wie ich sehe, hat der Prolog seinen Zweck erfüllt. Der Verfasser hat dich dazu gebracht, nachzudenken und Fragen zu stellen.«
    »Ja, hat er, verdammt noch mal.«
    »Was wirst du also tun?«
    »Versuchen, einen Dialog auf professioneller Ebene herbeizuführen. Falls das mit einem solchen Dämlack möglich ist. Die Arbeit mit so einem Charakter wird nicht einfach sein, da mache ich mir nichts vor.«
    »Kennst du jetzt denn wenigstens seine Telefonnummer?«
    »Jetzt schon. Der Anruferkennung sei Dank. Ich habe sie heute Morgen überprüft und dabei die Vorwahl wiedererkannt, die ich gestern gewählt habe.«
    »Aha, die Wunder des technischen Fortschritts. Zu meiner Zeit…«
    »Zu deiner Zeit?«, wiederholte sie lachend. »Heute ist immer noch deine Zeit.«
    Sie ergriff seine fleckige Hand und tätschelte sie liebevoll. Eines Tages würde er nicht mehr sein. Wie sie diesen Verlust überleben sollte, überstieg ihre Vorstellung. Sie war in diesem Haus aufgewachsen. Das Weggehen war ihr schwer gefallen, sogar als sie nur aufs College musste. Im zweiten Stock war ihr Schlafzimmer gewesen und war es noch,

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