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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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fahren Sie, hmm, so einen Kilometer geradeaus. Links bringt Sie dann eine Abfahrt direkt zum Haus. Wenn Sie im Atlantik landen, ist was schief gelaufen.« Sein Grinsen enthüllte eine stattliche Reihe Zahnlücken.
    Nach einem knappen Dankeschön hatte sie sich auf die letzte Etappe ihrer Reise gemacht. Das »Geschäftsviertel« an der Landestelle beschränkte sich auf zwei Shops: den Golfcartverleih und Terry’s Grillbar. So stand es auf einem selbstgemalten Schild, das man über ein Fliegengitter genagelt hatte.
    Terry’s entpuppte sich als kreisförmiges Gebilde unter einem Wellblechdach. Obwohl die oberen zwei Drittel der Außenwände aus Fliegengittern bestanden, war es drinnen so düster, dass Maris an der gegenüber liegenden Wand lediglich die schummrige Neonwerbung für Bier und ein paar Deckenlampen erkennen konnte, wie sie normalerweise über Billardtischen hingen. Auf der einen Gebäudeseite parkten mehrere Fahrzeuge, hauptsächlich Pick-ups. Durch die Gitterwände drang Konservenmusik.
    Draußen briet ein Mann auf einem Riesengrill Fleisch und nahm ab und zu einen Schluck aus einer Bierflasche. Als sie vorbeifuhr, konnte sie spüren, wie ihr seine Augen Löcher in den Rücken bohrten, bis sie um eine Kurve bog und außer Sicht war.
    Die Straße gehörte ihr allein. Weder Pkws noch Lastwagen überholten sie. Das Dock wirkte wie der letzte Außenposten der Zivilisation. Nachdem sie diese grauenhafte Reise – dieses Adjektiv empfand sie als faire Beschreibung – hinter sich gebracht hatte, hegte sie nur einen Wunsch: dass sie bei der Ankunft im Hause des Autors wenigstens gnädig aufgenommen wurde. Leider hatte sie nur äußerst geringe Erwartungen, was die Art der Begrüßung betraf.
    Schließlich erschnupperte sie über dem vorherrschenden Geruch von Immergrün einen Hauch Salzluft. Der Strand konnte nicht mehr weit sein. Sie begann, nach der Abzweigung Ausschau zu halten, doch als sie kam, schoss sie darüber hinaus. Kein Schild wies darauf hin. Wenn sie nicht ausdrücklich danach gesucht hätte, hätte sie sie einfach übersehen, so schmal und mit Blättern überwachsen war sie.
    Nach einer scharfen Kehrtwendung lenkte sie den Wagen auf den unebenen Feldweg. Er holperte durch Schlaglöcher. Über ihr bildeten Äste ein undurchsichtiges Dach. Hier schien der Wald sogar noch dichter, stummer und bedrohlicher.
    Allmählich kam ihr dieses Unterfangen töricht vor. Sie sollte sich in ihr sicheres Hotelzimmer im gastfreundlichen Savannah zurückziehen. Sich vom Zimmerservice etwas zu essen bringen lassen, ein Bad nehmen und ein Glas Wein aus der Minibar trinken. Derart erfrischt könnte sie versuchen, den Autor am Telefon zu einem Treffen auf neutralem Grund zu überreden.
    Aber dann erhaschte sie den ersten flüchtigen Blick auf das Haus und war sofort bezaubert.
    Es war wunderschön. Sogar ergreifend schön. Von einer Schönheit, die traurig stimmte. Wie ein alternder Filmstar, in deren einst hinreißendem Gesicht die Zeit Spuren hinterlassen hatte. Wie ein antikes Brautkleid mit vergilbter und zerschlissener Spitze. Wie eine Gardenie, deren cremeweiße Blütenblätter verwelkten. Das Haus trug alle Anzeichen längst vergangener Grandezza.
    Trotz seiner sichtlichen Makel, die das schwindende Tageslicht weichzeichnete, ähnelte es einem bezaubernden Aquarell, entstanden aus einer liebevollen alten Erinnerung.
    Maris stieg aus dem Wagen und folgte einem Weg, den eine Allee spektakulärer, mit Moos bewachsener Steineichen umrahmte. Lautlos erkletterte sie die Stufen. Als sie zur Veranda kam, verspürte sie den albernen Drang, auf Zehenspitzen darüberzuschleichen wie Jem Finch in »Wer die Nachtigall stört«, um nur ja den gruseligen Boo Radley darauf aufmerksam zu machen, dass er an diesem Ort als Unbefugter nichts zu suchen hatte und nicht willkommen war.
    Stattdessen wappnete sie sich mit einem tiefen Atemzug, trat kühn zur Eingangstür und griff nach dem Türklopfer aus Messing.
    »Maris Matherly-Reed?«
    Überrascht zuckte sie zusammen. Mit lautem Knall sauste der Klopfer gegen die Metallplatte in der Tür. Sie folgte der Richtung, aus der die unerwartete Stimme kam, trat zurück und schaute die lange Veranda hinunter. Durch eines der hohen Vorderfenster blickte ein Gesicht zu ihr heraus.
    »Also«, sagte er, »sind Sie tatsächlich gekommen.«
    »Hallo.«
    Er starrte sie weiter durch die Fensterscheibe an, seinen strategischen Vorteil nutzend. Er konnte sie wesentlich deutlicher sehen als sie ihn,

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