Envy-[Neid]
jetzt kümmerte er sich um die Bar. Sie zog das quietschende Fliegengitter auf und betrat sein Etablissement.
Mit großen Schritten spazierte sie über den nackten Zementboden schnurstracks zur Bar an der Hinterwand, vorbei an den Billardtischen, und trat dabei in eine Pfütze, die hoffentlich ein Bierrest war. Der Mann, der ihr den Wagen vermietet hatte, kam hinterdrein.
Das Klicken der Billardkugeln versiegte. Gespräche erstarben. Jemand stellte die Musik ab. Die Vorstellung konnte beginnen. Auf dem Programm stand heute »die wütende New Yorkerin«.
Terry grinste sie süffisant an.
»Geben Sie mir ein Bier.«
Das Grinsen verging ihm ein wenig. Damit hatte er nicht gerechnet. Trotzdem griff er in eine Kühltruhe, holte eine Bierflasche heraus, entkorkte sie und gab sie ihr. Schaum quoll zum langen Flaschenhals heraus. Maris schüttelte ihn von der Hand und nahm einen tiefen Schluck, dann stellte sie die Flasche lautstark auf den Tresen.
»Ich bin hier, um Parker Evans zu sprechen«, verkündete sie.
Terry pflanzte seine haarigen Unterarme auf die Bar und beugte sich zu ihr. »Und wen darf ich melden?«
Seine Gäste lachten schallend los. Terry weidete sich am Erfolg seiner schlauen Retourkutsche und lachte selbst am lautesten. Maris fuhr herum und stellte sich dem ganzen Raum. Trotz offener Wände und Deckenventilatoren wogte dicker Tabakqualm durch den Raum, den die halbherzigen Drehungen nur mit der feuchtwarmen Luft verrührten, statt ihn zu beseitigen.
Ein Dutzend Augenpaare starrte sie an. Es gab nur eine einzige andere Frau in hautengen Shorts, die nichts zu wünschen übrig ließen, und einem ebensolchen Top, das kaum ihren Hängebusen mit der eintätowierten Kobra bedeckte, die zwischen ihren Brüsten herauszüngelte. Eine Hand hatte sie frech auf die Hüfte gestemmt, in der anderen hielt sie einen filterlosen Glimmstängel.
Die Kneipe roch nach Bier und Grillfleisch, Tabakrauch und Männerschweiß. Maris schmeckte jede dieser Substanzen nach einem tiefen Atemzug hinten in der Kehle.
»Ist das nicht ziemlich kindisch, Mr. Evans?«
Keiner sagte ein Wort. Nichts rührte sich. Nur ein Mann schaute einen anderen verstohlen an und versetzte ihm zwinkernd einen Rippenstoß. Ein anderer salutierte höhnisch mit der Bierflasche vor ihr. Neben einem Billardtisch rieb einer lässig seine Queue-Spitze mit Kreide ein.
»Um nicht zu sagen rüde«, fuhr sie fort.
Mit Gewalt löste sie sich von der trügerischen Sicherheit der Bar und ging auf eine Dreiergruppe an einem runden Tisch zu, an dem sie jeden Einzelnen sorgfältig musterte. Dem idiotisch-anzüglichen Grinsen nach zu schließen, bezweifelte sie, dass auch nur einer von ihnen mehr als buchstabieren konnte, geschweige denn, einen Roman schreiben.
»Ich bin schrecklich weit gereist, um Sie zu treffen.«
»Zurück ist es genauso weit.« Die Stimme kam aus einer dunklen Ecke und rief noch mehr verhaltenes Gelächter hervor.
Sie schaute einem allein sitzenden Mann ins Gesicht. Er war ungefähr so alt wie Mike Strother, trug einen ungepflegten weißen Bart und hatte das wettergegerbte Gesicht eines Seemannes. Offensichtlich nahm er seine Umgebung nicht wahr, weder sie noch sonst jemanden. Seine wässrigen Augen schauten unverwandt auf ein Glas mit dunklem Alkohol, das er in seinen schwieligen Händen barg.
»Mr. Evans, Sie könnten mir wenigstens zehn Minuten Ihrer Zeit schenken.«
»Komm mal hier rüber, Schätzchen, und bück dich«, näselte eine Stimme einladend. »Dann verpass ich dir die besten zehn Minuten deines Lebens.«
»In deinen kühnsten Träumen nicht, Dwayne«, meinte die tätowierte Frau gedehnt, »du hältst deinen ja nicht mal bis zwei hoch.«
Eine Lachsalve explodierte, noch lauter als vorher. Der Mann neben der Frau klatschte sie ab, meinte aber:
»Trotzdem war der alte Dwayne auf dem richtigen Trip.«
»Jaja, Yankee-Lady, du weißt ja gar nicht, was dir fehlt, bis dich ein waschechter Südstaatler so richtig zugeritten hat.«
Maris hatte Pfiffe und Rufe von Straßenarbeitern erlebt, die sich dank der Anonymität ihrer Schutzhelme und der Entfernung zu ihr sicher fühlten. Verrückte Anrufer und Männer, die sich in den Hauseingängen der Stadt herumdrückten, hatten ihr obszöne Anträge gemacht. Mit siebzehn hatte man sie in der U-Bahn begrapscht, was bei ihr beim bloßen Gedanken daran bis zu diesem Tag eine Gänsehaut verursachte.
Auch wenn sie Opfer von obszönem Verhalten gewesen war, hatte sie dies keineswegs immun
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