Envy-[Neid]
Daniel annullierte sein Versprechen gegenüber der Haushälterin.
Jetzt genossen sie, eine halbe Stunde später, ihr zweites Glas. »Würdest du mir, bitte, meine Pfeife geben?«
Noah holte Daniels Pfeife vom Schreibtisch, wo er sie liegen gelassen hatte, und lieferte sie zusammen mit einem Tabaksbeutel bei dem großen ledernen Ohrensessel ab, in dem Daniel saß, die Füße auf einem gepolsterten Schemel. Dieser nahm sie zur Hand und entzündete sie geübt mit einem Streichholz.
»Wenn Maxine den Rauch riecht…«
»Werde ich behaupten, du hättest geraucht.« Er stieß eine Rauchwolke Richtung Decke aus. Nachdenklich blieben seine Augen am Stuckrondell in der Mitte hängen.
»Die Straßenköter rücken uns immer mehr auf den Pelz, Noah. Sie sind fies und haben scharfe Zähne.«
Noah nippte an seinem Scotch. »WorldView?« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich weiß nicht, wie ich es noch deutlicher hätte sagen können. Matherly Press steht nicht zum Verkauf.«
»Sie werden weiter bohren. Besonders Blume, dieser Dreckskerl.«
»Angeblich pisst er Eiswürfel.«
Daniel lachte in sich hinein. »Daran zweifle ich nicht.« Einen Moment paffte er seine Pfeife. »Doch selbst, wenn Morris Blume auf der Strecke bliebe oder aufgäbe und verduften würde, taucht kurz danach bestimmt ein weitaus fieserer Köter als er auf.«
»Sollen ruhig kommen. Wir können sie in Schach halten.«
Daniel lächelte über die Zuversicht seines Schwiegersohnes. Seit dem Erscheinen von Vernichtet vor einem Jahrzehnt kannte jeder in der Branche Noah Reed. Der Roman, der in der Zeit nach dem Bürgerkrieg spielte, hatte die Nation im Sturm erobert. In ganz New York gab es keinen Verleger, der ihn sich nicht liebend gern geschnappt hätte, Daniel Matherly eingeschlossen.
Aber zu aller Überraschung und zum Kummer seiner neuen Fans galten Noahs ehrgeizige Pläne nicht dem Schreiben, sondern dem Verlegen. Während Vernichtet erschien, hatte er jeden verlegerischen Schritt begleitet und sich darüber mehr gefreut als über das Schreiben an sich.
Er war ein gewinnender junger Mann von überragender Intelligenz und mit rasiermesserscharfen Instinkten. Sein Verleger hatte einige seiner Ideen für die beste Vermarktung des Buches mit Erfolg in die Tat umgesetzt. Daraus schloss das Haus, Noah würde mit gleichem Erfolg fremde Bücher verlegen, und hatte ihn eingestellt.
Rasch hatte der Nachwuchslektor bewiesen, was in ihm steckte. Noch im ersten Jahr erwarb er ein obskures Manuskript eines unbekannten Schriftstellers, der mit diesem Erstling zum Bestsellerautor wurde und es bis zum heutigen Tage geblieben war.
Obwohl Noah die Lektoratsarbeit rasch in Fleisch und Blut überging, zeigte sich sein wahres Talent erst bei der geschäftlichen Seite der Verlagsarbeit. Seine kreativen Marketingstrategien waren so erfolgreich, dass andere Verleger sie schamlos kopierten.
Er war ein harter Verhandlungspartner, den die Literaturagenten trotz aller Bewunderung fürchteten. Der geborene Anführer. Einmal war er am Vorabend eines Streiks zu einer Druckerei in Pennsylvania gefahren, um persönlich an die missmutigen Arbeiter zu appellieren. Als Mittelsmann zwischen ihnen und dem ortsansässigen Management half er, die Auseinandersetzung zu schlichten. Der Streik wurde beigelegt, und Noah verhinderte eine Branchenkrise.
Noah Reed war klug und ehrgeizig, ja sogar gerissen. Da man Daniel Letzteres mit Recht vorgeworfen hatte, betrachtete er das nicht als Negativum. Als Noah, zu Daniels Überraschung, vor drei Jahren mit dem verbrämten Eingeständnis an ihn herangetreten war, er sei unzufrieden angesichts der Grenzen, die ihm sein gegenwärtiger Arbeitgeber auferlege, und kühn seinem Wunsch nach Veränderung Ausdruck verliehen hatte, hatte Daniel interessiert zugehört. Noahs Ideen waren innovativ, ohne dabei mit jenen Idealen in Konflikt zu geraten, auf deren Basis Daniels Vorfahren Matherly Press gegründet hatten. Ja, Noah teilte sie sogar.
Obendrein hatte Noah Daniels Eitelkeit angesprochen, auch wenn er das nie zugäbe. Der jüngere Mann hatte ihn an jene Zeit erinnert, als er selbst genauso aggressiv und entschlossen gewesen war und ein Selbstvertrauen an den Tag gelegt hatte, das fast schon an Einbildung grenzte. Aber auch das betrachtete Daniel eher als Tugend denn als Makel.
Daniel hatte Noah erklärt, er bräuchte ein paar Tage Bedenkzeit. Er zögerte, jemanden hineinzunehmen, der kein Familienmitglied war, und ihm eine
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