Envy-[Neid]
solle die Finger vom Schreiben lassen und mich besser am Auffädeln von Ketten oder an Korbflechterei versuchen. Vermutlich hätte ich eine Packung Rasierklingen gekauft und mich im Bad eingeschlossen.«
»Das ist nicht witzig.«
»Da hast du Recht. Ist es nicht.«
»Außerdem bist du viel zu egozentrisch für einen Selbstmord.«
Wie wenig sie wusste. In jenen rabenschwarzen Tagen, als seine Seele genauso verdreht gewesen war wie seine Beine und seine Emotionen so bloßlagen wie das Fleisch, das zu heilen sich weigerte, hatte es Zeiten gegeben, an denen er den Weg des geringsten Widerstandes eingeschlagen und alles beendet hätte. Wenn er zur kleinsten Bewegung fähig gewesen wäre.
Aber noch während er in dieser Falle der Verzweiflung saß, war in ihm der Wille zum Leben erwacht. Irgendeine allmächtige Kraft oder eine kosmische Energie, die größer war als sein armseliger Menschengeist, hatte ihm Entschlossenheit eingehaucht.
Ein Engel war es nicht gewesen, nein. Keiner von der Sorte, wie man Engel normalerweise darstellt. Seine Pläne für Noah Reed hatten nichts Gütiges, Gottgesegnetes oder Heiliges an sich.
Er ergriff Maris’ Hand und drückte sie hart.
»Unterschätze nicht, wie wichtig das hier für mich ist.« Ohne seinen Händedruck zu erwidern, schaute sie ihm prüfend in die Augen. »Parker, warum hast du Neid mir geschickt? Ich kenne deinen Lektor für die Mackensie- Roone-Bücher. Ein äußerst fähiger Mann.«
»Ist er«, bestätigte er feierlich.
»Meine Frage bleibt. Es gibt Hunderte Lektoren in einem Dutzend Großverlagen. Was war an mir anders? Warum hast du mich gewählt?«
»Dieser Artikel in der Zeitschrift.« Hoffentlich bemerkte sie seine Lüge nicht. Ihm erschien die Antwort einigermaßen plausibel, aber sie musterte ihn weiter mit nervtötender Intensität. »Deine Aussagen darin haben mich überzeugt, dass du die richtige Lektorin für Neid wärest. Deine Bemerkung bezüglich Kommerz gegen Qualität, und dass die Verlagswelt allmählich Gefahr läuft, Letztere zu Gunsten des Ersteren zu vernachlässigen, hat mir gefallen. Dieses Buch schreibe ich nicht wegen Geld. Ich habe mehr Geld verdient, als ich je brauchen werde. Dafür hat schon Deck Cayton gesorgt. Neid schreibe ich für mich allein. Sollte es ein Publikum finden, wäre ich erfreut. Wenn nicht, hast wenigstens du etwas Wertvolles darin entdeckt. Und das gibt mir eine verdammt gute Bestätigung für mein Talent.«
»Es wird ein Publikum finden.« Sie zog ihre Hand aus seiner. »Dafür werde ich sorgen. Dazu habe ich schon viel zu viel investiert.«
»Magere fünfzehn Riesen?«
»Damit meine ich nicht den Vorschuss.«
Sein albernes Lächeln fiel in sich zusammen. Auch er wurde ernst. »Ich weiß.«
»Ich meinte…«
Er bildete sich ein, die ersten Tränen zu sehen, aber das konnte auch eine trügerische Lichtbrechung hinter ihren Brillengläsern sein. »Maris, ich weiß, wovon du sprichst.«
Sie wechselten einen langen, bedeutungsvollen Blick. Der Wunsch, sie zu berühren, war fast übermächtig. »Ich möchte nicht, dass du gehst.«
Der Satz kam ganz unbewusst. Erst als er hörte, wie seine eigene barsche Stimme die lastende Stille füllte, war ihm alles klar. Und er meinte es auch so, aus Gründen, die mit seiner Rache an Noah Reed ganz und gar nichts zu tun hatten.
»Schreib dein Buch, Parker.«
»Bleib.«
»Ich melde mich.« Erst nach einigen Schritten rückwärts drehte sie sich um und entfernte sich von ihm.
»Maris!«
Aber sie blieb weder stehen, noch ging sie langsamer. Sie schaute auch nicht zurück, nicht einmal, als er erneut ihren Namen rief.
Kapitel 18
»Dieser Besuch ist längst überfällig. Ich bin froh, dass Sie Zeit hatten.« Nadia Schuller lächelte ihren Gast quer über den Tisch an.
Als Rahmen für ihr intimes Treffen hatte Nadia ein kleines gemütliches Restaurant in der Park Avenue gewählt. Die Speisekarte war nicht überdreht, die Einrichtung im französischen Landhausstil gehalten. Die Spitzenvorhänge waren nach Nadias Geschmack für Manhattan ein wenig übertrieben, aber sie unterstrichen das freundliche Ambiente des Restaurants.
Und genau diese Note versuchte sie mit dem Lunch anzuschlagen – Freundlichkeit.
Eine ziemliche Herausforderung, wenn man mit dem Ehemann des Gastes ins Bett ging.
»Ich bedanke mich für die Einladung.« Maris rang sich ein künstliches Lächeln ab und schlug die Speisekarte auf. Ein kaum verhohlener Hinweis, dass sie diesen Lunch so rasch hinter
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