Envy-[Neid]
höheren Schulbildung aus dem Weg. Fürs Pauken hatte sie keine Geduld. Stattdessen stürzte sie sich unter die Werktätigen und wechselte im Halbjahresabstand so lange die Stellen, bis man sie als Redakteurin bei einem lokalen, wöchentlich erscheinenden Anzeigenblatt einstellte.
Dies war der erste Job, der ihr gefiel. Hier war sie am richtigen Platz. Wenige Wochen nach ihrer Einstellung fasste sie einen Entschluss: In dieser Branche würde sie sich neu erfinden – angefangen mit einem Namenswechsel – und berühmt werden.
Schließlich überredete sie den Chefredakteur dazu, sie gelegentlich einen Artikel schreiben zu lassen. Die Verhandlung fand auf dem Rücksitz seines Autos im Schatten jenes Reihenhauses statt, in dem er mit seiner Frau und vier Kindern wohnte. Nadia hatte sich auf seinen Schoß gesetzt und ihn so lange bearbeitet, bis er fast den Verstand verlor und ihr keuchend versprach, ihre Idee versuchsweise auszuprobieren.
Bei den Nadia-Schuller-Artikeln handelte es sich um witzige Tratsch-und-Klatsch-Geschichten über das Liebesleben der Leute im Stadtviertel. Schon bald waren sie die populärste Rubrik der Zeitung. Nadia hatte den ersten Schritt geschafft.
Jetzt, zwölf Jahre und unzählige Liebhaber später, saß sie Maris Matherly-Reed gegenüber und mimte die Wohlerzogene, während sie insgeheim eine enorme Antipathie gegen eine Frau hegte, die sie im Vorbeigehen ausstach. Wenn Maris sie mehr gehasst hätte, wäre Nadias Hass auf Maris geschrumpft. Leider war sie Maris offensichtlich nur gleichgültig. So, als verdiene sie gar keine Beachtung. Und das konnte sie nicht ertragen.
Zum Beispiel, als sie sich im Eingangsbereich des Restaurants getroffen hatten. Da hatte Nadia eine Bemerkung über die leichte Bräune fallen lassen, die Maris während ihres Aufenthalts in Georgia bekommen hatte, und sie dabei ziemlich schnippisch erinnert, wie schädlich Sonne für den Teint sei.
Maris hatte kühl erwidert: »Nächstes Mal werde ich sicher einen Hut einpacken.«
Sie bestellten ihre Vorspeisen. Während Nadia Maris einen Brotkorb reichte, meinte sie: »Wirklich tragisch, die Sache mit Howard Bancroft.«
Wenigstens das entlockte ihr eine Reaktion. Mit leichtem Kopfschütteln lehnte Maris den Brotkorb ab. Ihre Augen wurden traurig. »Furchtbar tragisch. Ich habe es erst nach meiner Rückkehr gestern Nachmittag erfahren.«
»Wie viele Jahre hat er Ihre Rechtsabteilung geleitet?«
»Schon vor meiner Geburt. Wir waren alle geschockt.«
»Hat irgendjemand eine Vermutung geäußert, warum er Selbstmord begangen hat?«
»Nadia, ich…«
»Ach, das ist doch nicht für ›Plaudereien rund ums Buch‹ bestimmt. Die nackten Tatsachen stehen in der Zeitung und zeichnen eine grausige Szene. Ich habe die offizielle beschönigte Mitteilung Ihrer Presseabteilung bekommen. Darin stand wenig über die Art und Weise seines Todes und mehr über seine Verdienste um Matherly Press.«
Man hatte Howard Bancroft einen halben Block von seinem Haus auf Long Island entfernt mit zerfetztem Schädel in seinem Wagen gefunden – eine Pistole in der Hand.
»Bei Matherly Press halten die Leute doch zusammen wie Pech und Schwefel. Hat da niemand ein Warnsignal bemerkt?«
»Nein«, erwiderte Maris. »Noah hatte sogar noch am gleichen Nachmittag einen Termin mit ihm. Er meinte, Howard sei ganz der Alte gewesen.« Bedauernd schüttelte sie den Kopf. »Er war so ein beliebter Mann, besonders in der Jüdischen Gemeinde. Ich kann mir nicht vorstellen, was ihn zu einer solchen Verzweiflungstat getrieben hat.«
Ihr Hauptgang kam. Während des Essens sprachen sie über fröhlichere Themen: die Bücher aus dem Herbstprogramm von Matherly Press. »Ich prophezeie uns schon jetzt ein äußerst erfolgreiches Weihnachtsgeschäft«, erklärte ihr Maris.
»Darf ich das in meiner Kolumne zitieren?«
»Dürfen Sie.«
Nadia schlug ihr stets präsentes Notizbuch auf und bat Maris um eine Liste von Titeln und Autoren, von denen sie besonders begeistert war. Nachdem sie alles notiert hatte, legte sie ihren Stift beiseite und aß einen winzigen Bissen vom gegrillten Loup de Mer. »Erzählen Sie mir etwas über das Projekt, an dem Sie gerade in Georgia arbeiten.«
»Das kann ich nicht.«
Nadia hörte auf zu essen. »Und warum nicht?«
»Weil es nicht zur Diskussion steht.«
»Ganz fabelhaft. Ich liebe Projekte, die sich in Geheimnisse hüllen.«
»Und bei diesem muss es auch so bleiben. Sogar dieser Satz wurde nie gesprochen. Zitieren Sie
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