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Enwor 11 - Das elfte Buch

Enwor 11 - Das elfte Buch

Titel: Enwor 11 - Das elfte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kein Recht dem Ruf zu folgen und das zu tun, was getan werden muss!«
    »Dem Ruf folgen?«,
wiederholte Skar verwirrt. Diese Formulierung schlug in ihm eine Saite an, weckte eine Erinnerung, die wie eine alte Wunde aufplatzte. »Was genau meinst du damit?«
    »Als ob Ihr das nicht genau wüsstet«, schnaubte Esanna. »Wir sind nun mal Digger und Digger folgen ihrem Ruf so wie… wie… ach, das ist ja auch egal.«
    »So wie Quorrl dem Ruf des Blutes folgen und Digger auslöschen, sobald sie ihrer habhaft werden, und so wie andererseits Satai dem Ruf folgen, um gegen die Quorrl zu ziehen?«, half Skar ihr aus.
    »Ja, genau«, funkelte ihn Esanna an. »Das wisst Ihr ja wohl besser als jeder andere, nicht wahr? Ich habe nicht gewusst, dass sich Satai auf einen Blutpakt mit den Quorrl einlassen, obwohl es mich kein bisschen wundert, so wie sich deinesgleichen in letzter Zeit verhält, vielleicht mal abgesehen von Marna, dem Satai mit der Wolfsmaske, und seinen Gefolgsleuten.«
    Skar schwieg einen Moment. Seine Verwirrung wuchs, je länger das Gespräch anhielt. Doch gleichzeitig wurde das von seinen (seinen?) Augen vermittelte Bild der Höhle und der vor ihm stehenden Esanna auch schärfer, als ob sich ein bislang vorhandener Schleier auflöste und auch das Pfeifen und Heulen des Sturms erschien ihm mit einem Mal viel deutlicher: Stärker als je zuvor schien es bemüht zu sein, das fröhlich prasselnde Feuer zu übertönen. Immerhin ließ zumindest das beklemmende Gefühl nach, das die Visionen mit sich gebracht hatten, und er konnte sich nur noch verschwommen an die Trugbilder erinnern, an die tanzenden Schatten, die ihn gerade noch genarrt hatten — falls da wirklich überhaupt etwas gewesen war — und an Esannas Umarmung und an das kratzende, erstickende Gefühl in seiner Kehle und die brennende Frage nach Ursprung und Sinn seiner Existenz.
    »Es ist nicht ganz einfach, dir zu folgen«, sagte er schließlich, während er mit einem Kopfschütteln den Schrecken der letzten Minuten endgültig von sich zu schütteln versuchte. »Wie du weißt, komme ich von weit her und der Ort, von dem ich komme — na, man könnte fast sagen, die Zeit sei dort stehen geblieben.«
    »Ich glaube dir kein Wort«, sagte Esanna verächtlich. »Du bist doch nicht viel mehr als ein Strauchdieb in der Maske des ehrbaren Satais.«
    »Du hast es erkannt«, sagte Skar und mit einem Mal fielen alle Fragen, alles Drängen von ihm ab und etwas Altbekanntes gewann in ihm die Vorherrschaft: blanker, menschenverachtender Zynismus: »Ich schleiche mich nachts in die Hütten armer Leute, schlitze die Männer auf, schände die Frauen und verspeise die kleinen Kinder zum Frühstück.«
    Er zuckte zusammen, als er merkte, was für eine Geschmacklosigkeit ihm da über die Lippen gekommen war. Eine vollkommen überflüssige Bemerkung angesichts des Gemetzels, das gerade — und doch, wie es ihm schien, vor unendlich langer Zeit — in Esannas Heimatdorf stattgefunden hatte und bei dem wahrscheinlich neben ihrem Vater auch andere enge Verwandte von ihr den Tod gefunden hatten.
    »Verzeih«, sagte er mitten in Esannas entsetzten Gesichtsausdruck hinein, »ich glaube, wir sind beide etwas mit der Situation überfordert. Für den Anfang würde es mir schon genügen, wenn du dich entscheiden könntest, wie du mich ansprechen willst: Ob du es vielleicht über dich bringen kannst, beim
du
oder beim
Ihr
zu bleiben, ganz wie es dir gefällt.«
    »Wie es mir gefällt?«, wunderte sich Esanna. »Was soll dieser Schwachsinn. Du — also gut, Ihr — habt mich doch nicht ohne Grund hierher mitgeschleppt.«
    »Ich verstehe nicht ganz«, behauptete Skar, obwohl er natürlich nur zu gut verstand. Alles, was er mit dieser Bemerkung erreichen wollte, war Zeit gewinnen: Zeit, um sich darüber klar zu werden, was ihn dazu getrieben hatte, ausgerechnet dieses Mädchen zu retten, und Zeit, um begreifen zu lernen, was es mit ihm selbst auf sich hatte.
    »Was ist denn daran zu verstehen?«, fragte Esanna mit der ganzen Empörung der Jugend, die sie trotz des frisch erlebten Grauens kraftvoll gegen ihr Schicksal ankämpfen ließ. »Du hast dich bei uns als Gast eingeschlichen, uns schmählich verraten…«
    »Das hatten wir doch schon alles«, sagte Skar. »Fangen wir lieber bei den Dingen an, die mir noch nicht bekannt sind: so trivial sie dir auch erscheinen mögen.«
    »Und das wäre?«, fragte Esanna im gereizten Tonfall eines Kindes, dessen Mutter ihm gerade zu erklären

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