Enwor 11 - Das elfte Buch
Zeit außer Kraft gesetzt zu sein schienen.
»Du bist Skar«, sagte Esanna schließlich und obwohl auch eine Frage in ihren Worten mitklang, weiteten sich ihre Augen vor Entsetzen, während sie gleichzeitig die Hand sinken ließ und einen Schritt zurückwich. »Du bist dieser…
Mann, diese Legende, das Versprechen der Rettung?«
»Ich weiß nichts von einer Legende«, sagte Skar überrascht. »Und ich weiß auch nicht, wie dieses… dieses
Ding
da in meine Brust gekommen ist.«
»Aber wer bist du dann?«, fragte Esanna. »Wenn du nicht Skar bist… verdammt noch mal, dann sag mir, wer du bist! ?!« »Das ist eine gute Frage«, sagte er unsicher, »aber ich bin sicherlich nicht der Skar eurer Legenden. Es ist… es ist viel Zeit vergangen, seitdem ich das letzte Mal…«
Lebte,
hätte er fast den Satz beendet. Aber das verbiss er sich lieber; es hätte nicht nur makaber, sondern auch vollkommen unverständlich geklungen.
»Woher kommst du?«, fragte Esanna hartnäckig. »Dann sag mir wenigstens das!«
»Ich sagte doch schon, dass ich von weit her komme…«
Das war, wurde ihm in diesem Moment schmerzhaft bewusst, stark untertrieben.
Es
fiel ihm schwer zu glauben, dass er wirklich noch vor wenigen Tagen tot gewesen sein sollte und mit einem Mal rastete wieder ein Stück Erinnerung ein:
WIR WERDEN DIE WELT BEHERRSCHEN, SKAR. UND SPÄTER DAS UNIVERSUM. KOMM ZU MIR UND ICH MACHE DICH ZU EINEM GOTT.
Aber das hatte er nicht gewollt. Oh ja, er wollte es — alles in ihm schrie danach, den letzten Schritt zu tun und zum Herrn der Ewigkeit zu werden, er wollte die Macht über Welten, vielleicht Galaxien.
Es war wie eine getreuliche Fortsetzung des Alptraums, der in der Nacht begonnen hatte und gleichzeitig so intensiv wie die Halluzination, die ihm kurz nach seinem Erwachen die letzten Momente seines Lebens vorgegaukelt hatte, den schmählichen Verrat Dels und sein Ende durch die Hand Kiinas
ICH WEISS, DASS DU DIE MACHT HAST ZU TUN, WAS DU SAGST. ABER WER BIST DU?
»Ich bin dein Schöpfer«, sagte Skar. »Undich befehle dir: Geh. Geh und lass den Menschen und Quorrl ihre Welt, so wie sie dir die deine lassen werden.«
War das tatsächlich ein Erinnerungsfetzen oder eine Vision, eine Verhöhnung von jenseits der Wirklichkeit? Er wusste es nicht, aber etwas in ihm, ein gleichzeitig unbekannter und nur allzu bekannter Teil von ihm wisperte von purer Wahrheit, von der Verheißung nach Unsterblichkeit und unglaublicher Macht. Wie schon unzählige Male zuvor versuchte Skar den Gedanken weiterzuverfolgen, zu ergründen, wer diese geheimnisvolle Macht war, und ob vielleicht die
Sternenbestie
dahinter steckte, der
Daij-Djan,
aber bei diesem Versuch steigerte sich der latent vorhandene Druck in seinem Kopf und wurde zu einem unerträglich bohrenden Schmerz.
»Also, woher kommst du nun?«
Skar zuckte zusammen und bemerkte erst jetzt, dass er eine ganze Zeit lang mit leerem Gesicht vor sich hin gestarrt hatte.
Geh und lass den Menschen und Quorrl ihre Welt, so wie sie dir die deine lassen werden.
War es das, was in Gefahr geraten war, das Gleichgewicht zwischen der
Ster-nenkreatur
und den Menschen und Quorrl? Hatte eine Seite ihre Abmachung nicht eingehalten, war sein Verzicht auf die Macht und Unsterblichkeit letztlich sinnlos geblieben?
In diesen wenigen Sekunden schien sich ihm die Vergangenheit wie ein offenes Buch vor ihm zu eröffnen, doch schon im nächsten Moment entglitt ihm der Zipfel des Wissens wieder und entließ ihn mit einem Gefühl unendlichen Verlustes.
Esanna besaß offensichtlich genug Gespür, um ihre Frage kein weiteres Mal zu stellen. Sie blickte ihn einfach wortlos an, aber etwas in ihrem Gesicht sagte ihm, dass sie sich nicht lange mit den wenigen Brocken zufrieden geben würde, die er ihr aufgetischt hatte. Ganz im Gegenteil: Das Funkeln in ihren Augen verriet, dass ihr noch tausend Fragen auf der Seele brannten — und offensichtlich war nur eine davon die nach seiner wahren Existenz, die Frage, ob er wirklich der einzige und wahre Skar war.
»Ich erinnere mich nur noch daran, dass ich in der Nähe des Sturzes von Ninga an Land gespült worden bin…« —
genau dort, wo ihn vor Jahrhunderten Kiina und sein Quorrl-Freund Titch der gläsernen Wand aus Wasser übergeben hatten, dieser letzten Ruhestätte in elementarer Gewalt…
»So, wie es die Legende sagt«, unterbrach ihn Esanna schaudernd.
Die Legende! —
Das klang wie Hohn in Skars Ohren. Er hatte die Verlockung der Macht gespürt,
Weitere Kostenlose Bücher