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Enwor 2 - Die brennende Stadt

Enwor 2 - Die brennende Stadt

Titel: Enwor 2 - Die brennende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Kopfschütteln und zog die Hand rasch von der Waffe zurück. Ikne war eine Stadt des Friedens, trotz ihrer titanischen Mauern und der waffenstarrenden Wehrtürme, die das flache Land überragten. Der Gedanke an einen Überfall war in Ikne ungefähr so absurd wie die Vorstellung eines Hagelsturmes mitten in der Wüste. Aber vielleicht war es gerade diese Ruhe, die Sicherheit, die das Wort Ikne in diesem Teil der Welt repräsentierte, welche ihn unsicher werden ließ. Je länger er hier war, desto öfter wandten sich seine Gedanken Kampf und Tod zu; jede Stunde, die er in Frieden und Muße genoß, schien etwas in seinem Inneren zu wecken, etwas, das ihm gleichermaßen bekannt wie furchterregend vorkam, eine unbestimmbare Sehnsucht nach Kampf und Schlachtenlärm und Krieg.
    Er ging schneller, um Gowenna einzuholen. Sie hatte bisher nicht ein einziges Mal zurückgeschaut. Selbst, als sie vorhin stehengeblieben war, hatte sie es nur getan, um einen raschen Blick in eine Seitenstraße zu werfen, als wolle sie sich davon überzeugen, daß sich ihnen auch wirklich niemand an die Fersen geheftet hatte. Trotz ihrer Stärke wirkte sie auf seltsame Weise gleichzeitig furchtsam, wie jemand, der sich seiner Kraft bewußt war, gleichzeitig aber auch wußte, daß er diese Stärke nicht einsetzen konnte.
    Skar holte sie mit ein paar raschen Schritten ein, ergriff ihre Schulter und zwang sie stehenzubleiben. »Wohin gehen wir?« fragte er unwirsch.
    Gowenna wandte den Kopf und sah ihn mit einem undefinierbaren Blick an, drehte sich jedoch nicht herum, obwohl er fest zupackte und sein Griff sie schmerzen mußte. Das fahle Licht überzog ihr Gesicht mit grauen Schatten, ließ sie gleichsam zu einem Ge-schöpf der Dämmerung werden. Überhaupt schien alles an ihr grau zu sein — ein Grau, das mit jedem Schritt, den sie sich weiter in den Morgen hineinbewegte, an Kraft gewann. Ihr Gewand, die Sandalen, der Schleier, mit dem sie wohl normalerweise ihr Antlitz verhüllte und der nun in der Art eines Halstuches unter ihrem Kinn zusammengeknotet war, selbst das schwarze Haar schien von grauen Schatten durchwoben zu sein. Der Gedanke weckte eine Erinnerung in Skar, aber sie entschlüpfte ihm wieder, bevor er sie fassen konnte.
    »Es ist nicht mehr weit«, antwortete sie mit deutlicher Ungeduld. »Dieses Haus dort drüben.«
    Sie machte eine vage Geste zur anderen Straßenseite, streifte seine Hand mit einer plötzlichen, abrupten Bewegung ab, die von einem unwilligen Stirnrunzeln begleitet wurde, als bemerkte sie die Berührung erst jetzt, und ging weiter.
    Skar starrte ihr einen Moment wütend nach und folgte ihr dann.
    Sie waren jetzt in den Randbezirken der Stadt. Die Wehrmauer ragte kaum eine Pfeilschußweite vor ihnen empor, bildete eine schwarze, messerscharf gezogene Linie, die den Himmel teilte und einen wuchtigen Schatten warf. Die Häuser waren hier kleiner und schäbiger als in den Vierteln, in denen Skar sich normalerweise aufhielt, und die Straßen waren brüchig und alt, ohne Abflüsse oder Kanäle, so daß er knöcheltief im Wasser stand, als er vom Gehsteig heruntertrat. Gowenna führte ihn zu einem schmalen, zweigeschossigen Haus, das ein Stück zurück und im Schatten der benachbarten Gebäude lag. Es war schäbig selbst für diese Gegend, klein und geduckt; hineingekauert in die Dunkelheit, als wolle es sich verbergen.
    Ein schmaler, fensterloser Gang nahm sie auf. Gowenna trat beiseite, um ihn vorbeizulassen, nickte auf eine fast freundliche, aufmunternde Art, die nicht zu ihrem bisherigen Verhalten paßte, und drückte die Tür hinter ihm sorgfältig zu. Es gab keinen Riegel, aber die Tür hielt trotzdem. Es wurde dunkel. Gowennas Schatten blieb noch einen Moment vor den Ritzen und Spalten des morschen Türblattes sichtbar und glitt dann an ihm vorbei, um mit der Schwärze weiter hinten im Gang zu verschmelzen. Skar fragte sich unwillkürlich, wie sie bei der absoluten Dunkelheit hier drinnen ihren Weg finden konnte. Aber ihre Schritte klangen rasch und so sicher vor ihm, als wäre das Haus taghell erleuchtet.
    »Gib acht jetzt. Eine Treppe.«
    Der Klang ihrer Schritte veränderte sich, als unter ihren Füßen nicht mehr Lehm, sondern das knarrende Holz einer Treppe war. Skar folgte ihr langsamer, blieb dort, wo er die Treppe wähnte, stehen und tastete vorsichtig nach der ersten Stufe, ehe er weiterging. Über ihm — höher, als er nach der Anzahl ihrer Schritte geglaubt hatte — öffnete sich eine Tür. Sie mußte

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