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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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er sie zum zweiten Mal und mit seiner eigenen Stimme gesprochen hörte, spürte er den dunklen, unheilschwangeren Unterton, der darin mitschwang.
    Vielleicht, dachte er, lebte es
noch,
nur auf eine Weise, die sie niemals begreifen würden. Vielleicht waren
sie
die Toten.

D ie Ebene war endlos. Sie waren kurz nach Sonnenaufgang losgeritten, aber Skar wußte längst nicht mehr, wieviel Zeit seither vergangen war. Es wurde nicht hell; nicht wirklich. Der Schneesturm hatte noch an Kraft zugenommen, und wenn er auch, durch eine gnädige Laune der Natur, erst in hundert oder mehr Manneslängen Höhe seine volle Wucht entfaltete und sie hier am Boden nichts als einen schwachen Hauch seiner wirklichen Macht spürten, so war der Himmel doch hinter einer grauweißen, wirbelnden Decke verborgen, unter der sie wie unter der Kuppel eines gewaltigen natürlichen Gewölbes nach Süden krochen, und der Tag schien nichts als eine Fortsetzung der Dämmerung zu sein, so wie die Landschaft, durch die sie ritten, eine getreuliche Wiederholung jener Gegend war, durch die sie auf dem Weg vom Gebirge nach Combat und zurück gekommen waren. Skar hatte es längst aufgegeben, nach irgendwelchen Zeichen oder besonderen Landmarken Ausschau zu halten. Sie ritten durch eine Apokalypse, eine bizarre Vision des Weltuntergangs, schlimmer, als sie sich jede Phantasie hätte ausmalen können. Der Boden bestand aus schwarzgeschmolzenem Glas, und jeder einzelne Hufschlag ihrer Pferde erzeugte einen hellen, harten Ton, als würde ein Spiegel zerschlagen. Die schwarzen Lavabrocken lagen auch hier noch in großer Zahl, wenn auch nicht mehr ganz so zahlreich wie in der unmittelbaren Nähe Combats, und sie passierten immer wieder die zerfallenen Überreste einstiger Gebäude; Opfer der Zeit und des beständig heulenden Windes, der seit Urzeiten mit ungebändigter Kraft von den Bergen herunterraste; manchmal aber auch zermalmt, zerschmolzen von den Urgewalten, die dieses Land verbrannt und verstümmelt hatten.
    Skar bildete zusammen mit einem El-tra die Spitze der kleinen Kolonne. Er hockte vornrüber gebeugt im Sattel, den Blick starr nach Süden gerichtet, und es fiel ihm zunehmend schwerer, sich noch auf dem Rücken des Pferdes zu halten. Der Schmerz in seinen gebrochenen Rippen war zu einem dumpfen, qualvollen Pochen geworden, und er hatte das Gefühl, langsam von innen heraus zu verbrennen. Es war Stunden her, seit er sich das letzte Mal im Sattel umgedreht und den Weg zurückgeblickt hatte, den sie gekommen waren. Sie mußten, obwohl sie nur langsam vorankamen und immer wieder Umwege zu machen hatten, schon mehr als zwanzig Meilen zurückgelegt haben, aber das lodernde Fanal am Horizont war bisher nicht sichtbar kleiner geworden. Der Anblick des brennenden Giganten gab ihm das Gefühl, zur Größe eines Insekts zusammenzuschrumpfen, und er hatte beschlossen, nicht mehr hinzusehen. Er hatte nicht mehr die Kraft, sich irgendeinem Kampf zu stellen. Nicht einmal diesem.

S ein Pferd strauchelte, als seine Hufe auf dem glatten Boden plötzlich keinen Halt mehr fanden. Es fing sich sofort wieder, aber die abrupte Bewegung riß Skar schmerzhaft aus der Lethargie, in die er im Laufe der vergangenen Stunden versunken war. Er fuhr auf, tätschelte ihm mit einer unbewußten, zärtlichen Geste den Hals und legte die linke Hand mit sanftem Druck zwischen seine Ohren. Das Tier schnaubte, beruhigte sich aber beinahe augenblicklich wieder und fiel in normale Gangart zurück.
    Skar sah besorgt nach rechts. Auch das Tier des Sumpfmannes lief lange nicht mehr so elegant und ruhig wie am Morgen. Es setzte zwar noch immer gehorsam einen Fuß vor den anderen, aber es schien vor jedem Schritt unmerklich zu zögern, und der Ausdruck in seinen dunklen Augen kündete eindeutig von Schmerz. Das Laufen auf dem Boden Tuans, der härter war als Stein, mußte den Tieren unsägliche Qualen bereiten. Ihre empfindlichen Fesseln waren für federnden Prärieboden, allenfalls für eine kurze Strecke über Felsen oder Sand, geschaffen. Die Tiere werden keine zwei Wochen durchhalten, dachte Skar. Nicht einmal zwei Tage.
    El-tra sah seinen Blick, und er mußte auch spüren, was hinter seiner Stirn vorging. Aber er schüttelte nur stumm den Kopf und deutete nach Süden. Sie konnten keine Rast einlegen, weder jetzt noch in den nächsten Stunden, und Skar fügte sich stumm.
    Wäre es nur um ihn und die beiden Männer aus Cosh gegangen, wäre er trotz seiner Schwäche aus dem Sattel gestiegen und
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