Enwor 8 - Der flüsternde Turm
acht Fuß groß, aber Skar schätzte ihr Körpergewicht auf eine gute halbe Tonne. Er fragte sich, ob sie intelligent waren, wie man es manchen Drachen nachsagte.
Yul gab ihm ausreichend Zeit, die scheußlichen Kreaturen zu begutachten, ehe sie weitersprach. »Sie leben im Tal der Drachen, so wie die
Skrot,
die Kiina verfolgten. Im Grunde sind sie harmlos.«
Harmlos?
Skar hob zweifelnd die Augenbrauen. Gestern abend hatte er nicht den Eindruck gehabt, daß die Tyrr in irgendeiner Form
harmlos
waren. Ganz im Gegenteil — er erinnerte sich schaudernd daran, wie fürchterlich diese Wesen unter Titchs Quorrl gewütet hatten.
»Sie sind Aasfresser, und wie alle Aasfresser feige«, erklärte Yul. »Außer wenn sie ihre Beute in großen Gruppen angreifen können.«
»Oder von einer
Errish
gelenkt werden«, vermutete Skar.
Yul nickte, aber ihr Gesicht sah dabei fast angewidert aus.
»Glaube nicht, daß es uns freut, uns dieser
Tiere
zu bedienen«, sagte sie. »Aber sie sind alles, was uns geblieben ist. Sie und die Skrot und ein paar alte oder schwache Drachen, die sich nicht mehr gegen unseren Willen wehren können.«
»Dann hatte Kiina recht, als sie behauptete, der
Wächter
hätte euch die Drachen genommen?«
»Ja«, seufzte Yul. »Niemals hätte er den Geist eines Drachen bezwingen können«, sagte sie überzeugt. »So trennte er uns von ihnen.«
»Aber gestern abend, bei den Quorrl —«
»Hast du einen wirklichen Drachen gesehen, ich weiß«:, unterbrach ihn Yul. »Ereil. Mein eigenes Tier.« Sie schwieg einen Moment, warf den Tyrr einen langen, eindeutig angewiderten Blick zu und drehte sich zu Skar um. »Sie ist vielleicht der letzte Drache, der uns geblieben ist. Aber sie ist so alt und schwach wie ihre Herrin. Wenn sie stirbt, dann wird es keine Drachenreiterinnen mehr auf Enwor geben. Die Mädchen sind noch nicht soweit.«
»Anschi hat die Daktyle gelenkt, auf der ich geritten bin«, wandte Skar ein.
»Das ist nichts«, behauptete Yul. »Viele von ihnen sind begabt, das ist wahr, aber nicht eine von ihnen könnte einen
wirklichen
Drachen beherrschen, Skar. Es ist ein langer und mühseliger Weg, mit dem Geist dieser stolzen Wesen zu verschmelzen. Nicht alle schaffen es, und die, denen es gelingt, brauchen ein Leben, um perfekt zu werden. Anschi und die anderen werden diese Zeit nicht haben.«
»Sie beherrschen die Tyrr.«
»Sie lenken sie«, verbesserte ihn Yul. »Wie ein Puppenspieler seine Marionette. Einen Drachen kannst du nicht beherrschen, Skar. Du mußt seine Freundschaft erringen, oder er wird dich töten. Was wir mit den Tyrr tun, ist... schlecht. Es verdirbt sie, denn es bricht ihren Willen, und es verdirbt uns, denn es zwingt uns, unsere Gedanken mit denen eines
Tieres
zu verbinden. Telepathie ist immer zweiseitig, Skar. Du gibst nicht nur, du nimmst auch, ob du es willst oder nicht.«
Skar schauderte. Yul hatte ihm mit wenigen kurzen Worten einen Einblick in eine Welt gegeben, die ihm vollkommen fremd war. Nicht einmal er, der eine
Errish
geliebt hatte, hatte sich bisher Gedanken darüber gemacht, wie sie es bewerkstelligen mochten, die riesigen Panzerechsen Enwors zu beherrschen. Es war eben so.
Errish
ritten Drachen, so wie Satai das Kämpfen und Veden die Seefahrt beherrschten. Ein weiteres Wunder, dachte er bitter, das untergehen würde, ganz gleich, ob sie den Kampf gegen die
Sternengeborenen
gewannen oder nicht.
Der Gedanke erfüllte ihn mit Zorn, den er kaum mehr zu beherrschen vermochte. »Sie werden dafür bezahlen, Yul«, sagte er. »Ich verspreche es.«
Die alte
Errish
sah ihn mit sonderbarem Ausdruck an. »Sagtest du nicht vor Augenblicken noch, daß du den Krieg
verhindern
willst?« fragte sie.
Skar war irritiert, dann erschrocken über seine eigene Reaktion.
Er kannte diesen wilden, alle Logik davonfegenden Zorn, der ihn manchmal packte, aber er war nie so plötzlich und grundlos über ihn gekommen. Seltsam, dachte er. Wie in seinem Traum. Er verscheuchte den Gedanken.
»Du hast recht«, sagte er verlegen. »Ich bin nervös. Verzeih.«
Yuls Blick blieb forschend, und das auf eine Art, die Skar rasch unangenehm zu werden begann. So sah sie ihn nicht nur mißtrau-isch an, sondern so, als suche sie in seinem Blick nach etwas, etwas ganz Bestimmtem, von dem sie ahnte (befürchtete?), daß es da war. Aber sie ging mit keinem Wort mehr darauf ein, sondern hob plötzlich den Kopf und blinzelte aus zusammengekniffenen Augen in den Himmel hinauf. »Anschi kommt zurück«,
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