Enwor 8 - Der flüsternde Turm
jetzt der unbeschreiblichen Wut, mit der sich Quorrl und
Ultha
aufeinandergestürzt hatten. »Unsinn«, sagte sie, plötzlich aber mehr hilflos als herausfordernd. »Sie sind genau das, was Skar gesagt hat:
Dinge.
Keine Dämonen, Quorrl.«
»Für Titch schon«, sagte Skar. »Oder wie würdest du ein Wesen nennen, das deinem Volk eine ganze Welt gestohlen hat?«
Titch fuhr mit einem Ruck zu ihm herum und starrte ihn an, und in Anschis Augen glomm ein Ausdruck auf, der nur noch mit dem Wort Entsetzen zu beschreiben war. »Nicht!« sagte sie. »Schweig! Sprich es nicht aus!«
»Was?« fragte Titch. Und plötzlich packte er Skar, riß ihn mit einem brutalen Ruck herum und schrie noch einmal:
»WAS?!«
Skar machte sich mühsam los. »Das große Geheimnis der
Errish«,
sagte er. »Ihr wußtet es schon immer, nicht wahr? Ihr wart die einzigen, die es wußten. Oh, sicher nicht alle, sondern immer nur einige wenige, aber ein paar haben es immer gewußt, all die Jahrtausende hindurch.«
Anschi schwieg, und Skar fügte, leiser und fast bitter, hinzu: »Gowenna muß es gewußt haben. Sie war die
Ehrwürdige Mutter
eures Volkes.« Er drehte sich wieder zu Titch um, und seine Stimme wurde leise, fast traurig. »All diese Ungeheuer, gegen die wir kämpfen, Titch, sind nicht die
Sternengeborenen
selbst. Es sind nur Waffen. Waffen, die sie erschufen, um ihre Feinde zu vernichten. Die ursprünglichen Bewohner Enwors. Euch, Titch.
Die Quorrl.«
G egen Mittag begann es wieder zu regnen. Es wurde kälter, und über dem Meer begannen sich schwere Regenwolken zu einer Front zu formieren, die spätestens am Abend mit Gewitter und Sturm über das Land herfallen würden. Titchs Männer hatten aus Planen und Decken ein notdürftiges Zelt für Kiina errichtet, unter das sich auch Skar und Anschi zurückgezogen hatten, als der Regen zunahm.
Sie hatten geredet; Stunden, wie es Skar vorkam, die in Wirklichkeit zum allergrößten Teil aus langen Zeiten tiefen, schockierten Schweigens bestanden hatten, in die hinein nur manchmal einer von ihnen ein Wort gesprochen hatte. Zumeist war es Skar gewesen, der Fragen gestellt hatte; Fragen, auf die er nur in den allerwenigsten Fällen eine Antwort bekam. Nach einer Weile hatte er eingesehen, daß die
Errish
wirklich nichts wußte; seine insgeheim gehegte Hoffnung, daß Yul ihn belogen hatte, erfüllte sich nicht. Anschi wußte nicht mehr, als daß die
Errish
vor etwa einem Monat aus Elay geflohen war und sich auf den Weg nach Norden gemacht hatte, allein, verfolgt von einem Dutzend ihrer ehemaligen Schwestern und einer kleinen Armee von
Ultha.
Skar war enttäuscht, gleichzeitig aber auch zufrieden. Seine Vermutung, daß die Lösung aller Rätsel im Norden zu suchen war, wurde zur Gewißheit. Schließlich kehrte Anschi zu ihren Schwestern zurück, die ein Lager eine halbe Meile weiter nach Norden aufgeschlagen hatten; höher in den Bergen, wo ihre bizarren Flugechsen ausreichende Startgelegenheiten finden würden. Titch blickte ihr schweigend hinterher, bis sie im Regen verschwunden war. Der Quorrl hatte kein Wort geredet, aber nicht nur Skar hatte genau gespürt, wie es hinter Titchs ausdruckslosem Gesicht arbeitete. Vielleicht hatte er die Wahrheit ja geahnt, aber es war eine Sache, etwas zu wissen, und eine ganz andere, dieses Wissen dann als Tatsache präsentiert zu bekommen. Skar nahm sich vor, den Quorrl in den nächsten Stunden genau im Auge zu behalten.
Titch blieb lange Zeit draußen im Regen stehen, auch als die
Errish
schon längst nicht mehr zu sehen war. Als er zurückkam, bewegte er sich langsam, wie unter Zwang. In seinen großen, fast pupillenlosen Augen stand noch immer derselbe Schrecken geschrieben wie in dem Moment, in dem Skar ihm die Wahrheit gesagt hatte. Skar war nicht einmal sicher, daß er wirklich gehört hatte, was sie sprachen.
Der Quorrl mußte sich weit nach vorne beugen, um unter das kleine Zeltdach zu treten, das seine Leute für Kiina errichtet hatten. Wasser lief in kleinen glitzernden Rinnsalen über seine Rüstung, und zum ersten Mal seit Wochen wieder fiel Skar der Raubtiergeruch auf, den der Quorrl verströmte.
»Ist sie fort?« fragte Skar überflüssigerweise.
Titch deutete ein Nicken an und ließ sich auf der anderen Seite von Kiinas Lager in die Hocke sinken. Sekundenlang blickte er reglos auf Kiina hinab, dann sah er Skar an, aber sein Blick blieb leer. »Traust du ihr?«
»Anschi?« Skar tat so, als überlege er eine Weile, während er in Wahrheit
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