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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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Hatte man sie gefasst? Lebten sie noch? Ich schob die andrängenden düsteren Gedanken beiseite. Sie mussten es einfach bis hierher schaffen, denn ohne sie würde unsere List mit den Soldaten und den Blütenfrauen nicht aufgehen.
    Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen. Mein Mund war ausgedörrt. So großen Durst hatte ich das letzte Mal in der Saline gehabt. Dela wies auf eine dunkle, mit prächtigen Steinmetzarbeiten ausgestaltete Nische, ein gutes Versteck, das einen unauffälligen Blick auf den Hof und auf die Zellen gewährte. Unter Vidas Führung schlichen wir zu unserem neuen Beobachtungsposten und nutzten dabei die mächtigen Säulen zum Platz hin als Deckung. Vida drückte sich in die Ecke der tiefen Nische und suchte sich eine Stellung, sodass sie die Zellen im Blick hatte.
    »Lasst mich herunter«, flüsterte ich Dela ins Ohr.
    Als sie sich umdrehte, strichen ihre Stoppeln mir über die Wange. »Seid Ihr Euch sicher?«
    Sie hatte mich seit dem Dienstbotenweg getragen und das Zittern in ihren Schultern und Beinen vibrierte in mir.
    »Es wird schon gehen«, erwiderte ich, doch das war eine Hoffnung, keine Gewissheit.
    Sie ließ mich auf den Boden hinunter. Einen Moment lang war es gut – doch dann begann wieder alles zu schlingern und grauer Nebel trübte meine Sicht.
    »Sie wird wieder ohnmächtig«, zischte Vida.
    Ihre Stimme klang weit entfernt. Meine Beine gaben nach.
    Dela fuhr herum und fing mich auf. »Hiergeblieben.«
    Ich nickte, obwohl der Schmerz im Arm mir wie ein trockenes Würgen in der Kehle saß. Wie sollte ich die Zellenwächter überwältigen, wenn ich nicht einmal stehen konnte? Dela schob mich behutsam an die geschnitzte Holzwand des Pavillons. Mit dieser festen Stütze im Rücken stand ich den Schwindelanfall durch.
    »Ruht Euch aus.« Sie ließ mich vorsichtig an der Wand herabgleiten, bis ich auf dem Steinboden saß, und kauerte sich neben mich. »Ihr seid ja ganz kalt.« Sie legte mir den Arm um die Schultern und ihr heißer, nass geschwitzter Körper roch nach Leder und Fett.
    Damit begann das Warten auf Yuso und Ryko. Obwohl mein Körper sich nach Ruhe sehnte, ließ jedes nächtliche Geräusch und jeder flüchtige Schatten mich zusammenfahren. Einmal kamen drei Lampen-Eunuchen im Gänsemarsch in den Hof und zündeten die großen Podestlaternen an, die in größeren Abständen in einem geharkten Kiesstreifen standen, und jedes Mal wenn ein Docht aufleuchtete, ließen sie zum Dank eine kleine Gebetsglocke läuten. Obwohl sie nicht in die Nähe des Portikus kamen, schob ich mich noch tiefer in unser Versteck und war froh um die tiefe Dunkelheit, die uns umgab. Von meinem Platz aus konnte ich nur einen der beiden vor der Tür zum Kerker postierten Wächter sehen; er trug eine Weste aus Leder und Eisen und hielt ein Ji, und obwohl er den großen Hof pflichtgemäß im Blick behielt, gähnte er doch immer wieder und trank mit seinem Kameraden eine Flasche. Beide waren also gelangweilt und dazu geneigt, die Regeln zu brechen.
    Wir warteten und mit jeder Minute, die verging, wurde unsere Angst noch bedrückender.
    »Und wenn sie es nicht hierher schaffen?«, flüsterte Vida schließlich.
    »Sie schaffen es schon«, erwiderte Dela entschieden. »Ryko wird Übermenschliches leisten, um hierherzukommen.«
    Ein lastendes Schweigen senkte sich auf uns herab. Vida rutschte unruhig hin und her und ließ Dela nicht aus den Augen. Dann nickte sie knapp, als hätte sie eine schwere Entscheidung getroffen, und fasste Dela am Arm. »Ryko liebt Euch«, flüsterte sie.
    »Was?« Ich spürte, wie Dela zusammenzuckte.
    »Und Ihr liebt ihn«, fuhr Vida fort. »Verliert keine Zeit. Im Krieg sterben die Männer schnell.«
    Sie sah kurz zu mir und der kummervolle Ausdruck in ihren Augen durchbohrte mich. Ich schaute weg, um das Leid nicht sehen zu müssen, das ich verursacht hatte.
    »Das ist wohl kaum der richtige Ort dafür«, sagte Dela zwischen zusammengebissenen Zähnen und drehte sich wieder zum Hof, doch ihre Unruhe lief wie ein Surren durch ihren Körper.
    Wir drehten uns um, als wir hörten, wie Stiefel leise über den Steinboden schlurften.
    Mit gezücktem Messer erhob Vida sich halb. Dela fasste mich fester bei den Schultern, damit sie mich hochheben konnte, als zwei dunkle Gestalten im Schatten der Säulen innehielten. Kein Zweifel: Das waren Rykos breite und Yusos schmächtige Gestalt. Dela ließ mich los, und Vida winkte die beiden Männer durch den Portikus heran.
    Von einer Säule zur

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