EONA - Das letzte Drachenauge
Gesang der Zerstörung, eine wogende Mischung aus goldener und silberner Macht, durch die das flackernde Feuer des Blitzes fuhr.
Eona, zielt auf die Soldaten.
Aber wie?
So wie Ihr es tut, wenn Ihr andere heilt.
Wir spürten, wie unsere vereinte Macht zu einer gewaltigen Welle wurde und kurz reglos in der Luft hing, wie um die Chance zum Zurückweichen zu bieten. Dann überschlug sie sich und schoss mit verheerender Gewalt dahin.
Mit aller Kraft versuchten wir, sie nach unten zu lenken, doch das meiste davon entglitt unserem ungeübten Griff und krachte in die zehn Drachen ringsum. Der Kreis zerstob über die ganze Himmelsebene. Brüllend verschwanden sie und ließen nur den bitteren Geschmack der Verzweiflung zurück.
Ido und der Rattendrache waren nicht so ungeschickt. Mit eiserner Beherrschung lenkten sie die Zerstörungskraft auf die Erde unter sich. Der Feuerball aus Blitz und Macht fuhr durch die hellen Punkte aus Hua, die auf das Dorf zumarschierten, und vernichtete die Schlachtreihen der Soldaten. Flammen züngelten über den Hügel und die wilde Energie glühte am Himmel wie eine trügerische Morgendämmerung. Schmutz, Steine und Asche wirbelten hoch auf und gingen als düsterer Wolkenbruch auf das Dorf und den Strand nieder. Die Schlachtreihen lösten sich auf und die Leute suchten schreiend Deckung vor den herniederprasselnden Trümmern.
Plötzlich traf mich ein Stein schmerzhaft an der Schulter und zog mich keuchend in meinen irdischen Körper zurück. Ich blinzelte durch einen Tränenschleier, und die Hitze und der Umriss unter mir verdichteten sich zur Gestalt von Ido, der mich mit beiden Armen an sich presste.
»Es ist noch nicht zu Ende«, sagte er.
Er rollte sich herum, bis ich unter ihm lag und er mich abschirmte, gestützt auf die Ellbogen, damit er nicht zu schwer war. Das Nachbeben unserer Welle aus Energie dröhnte über den Strand, der Sand unter uns gab etwas nach, und eine dünne Schicht aus Asche strich in einem heißen Luftzug über unsere Haut. Ido zuckte zusammen, als Steine auf seinen Rücken prasselten und ringsum Erdklumpen zu Fontänen aus Staub zerbarsten.
»Es ist gleich vorbei«, sagte er und blickte kurz zum bleiernen Himmel.
Die ungestüme Wut des Drachenkampfes und das Hochgefühl der Macht verebbten. Ich war hohl – eine Hülle aus fernem Geschrei, fallender Asche und dem nasskalten Gestank nach verbranntem Land und verkohlten Menschen.
»Wa s haben wir getan?«, flüsterte ich in blankem Entsetzen und blieb wie erstarrt unter Ido liegen.
»Wir haben verhindert, dass Sethon alle tötet und uns mitnimmt.« Er berührte meine nasse Wange mit seinem blutigen Finger und der Geruch nach Kupfer war wie das Echo des Geruchs nach Tod, der in der Luft lag. »Ihr solltet jubeln.«
Jubeln? Wo mir doch nur das Bild all der Soldaten auf dem Hügelhang vor Augen stand, die in einem einzigen Augenblick von einer Feuerwalze ausgelöscht worden waren? »Wir haben sie alle getötet. Und so schnell.«
Er beobachtete mich mit zusammengezogenen Brauen. »Es hieß: Wir oder sie, Eona. Eure Macht hat gerade all Eure Freunde gerettet.«
Das stimmte, doch ich schüttelte nur den Kopf und hatte keine Worte für das Gefühl der Trostlosigkeit, das mich durchdrang.
»Ihr seid zu weich.« Zögernd legte er die Hand an meine Wange. »Wenn Ihr diese Soldaten als Menschen anseht, seid Ihr erledigt. Es sind Eure Feinde.«
»Das tut Ihr also?«
»Nein, ich tue das .« Sein Mund näherte sich meinen Lippen. Ich schloss die Augen, und etwas in mir wusste, dass ich ihn eigentlich wegstoßen sollte, doch zugleich sehnte ich mich nach einem Moment, in dem Leben war, nicht Tod.
Ich spürte, wie Ido erstarrte, und öffnete die Augen. Die Spitze eines Schwerts glitt an seinem Kiefer entlang und zwang ihn, den Kopf in den Nacken zu legen. Kygo stand neben uns. Sein verschwitztes, ascheverschmiertes Gesicht war ganz weiß vor Wut. »Runter von ihr.«
Der erschrockene Ausdruck in Idos Blick verwandelte sich in Zorn. Langsam schob er sich von mir herunter und das Schwert zwang ihn, dass er sich wieder hinkniete.
»Ist alles in Ordnung mit Euch?«, fragte der Kaiser mich. Seine Stimme klang scharf wie ein Peitschenhieb.
Ich nickte. Im Dorf weinte ein Kind und dieses erbarmungswürdige Jammern übertönte alle Rufe und Schreie; etwas näher bei uns drang immer noch vereinzelt das Klirren von Klingen durch die dämpfenden Staubschleier.
Der Kaiser setzte Ido das Schwert an die Kehle. »Habt Ihr diesen
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