EONA - Das letzte Drachenauge
Feuerball gemacht?«
Ido hatte die Lippen zu einem Knurren verzogen. »Ihr solltet uns dankbar sein«, erwiderte er. »Lady Eona und ich haben Euren kostbaren Widerstand gerettet.«
Kygos Augen hefteten sich auf mich. »Dann wart Ihr das, Eona?«
Ich presste mich an den Rumpf des Bootes, so weit weg wie möglich von seiner Furcht einflößenden Stimme. »Ihr wart ihnen zahlenmäßig unterlegen. Ich wollte nicht, dass Euch etwas zustößt.«
Kygo trat einen Schritt zurück und ließ sein Schwert sinken. Das Drachenauge rieb die dünne Blutspur weg, die die Klinge auf seiner Haut hinterlassen hatte.
»Jetzt habt Ihr Eure Armee aus zwei Leuten, Majestät«, sagte er bitter. »Geprüft und für gut befunden.«
Ich starrte das Drachenauge an. »Wie meint Ihr das?«
»Seid nicht so naiv, Eona.« Ido warf Kygo einen boshaften Blick zu. »Denkt Ihr, er hat mich aus dem Palast befreit, damit ich Feldfrüchte gedeihen lasse und Regen umlenke? Ich bin hier als Waffe und Ihr seid hier, um meine Klinge auf seinen Befehl hin stumpfer zu machen oder schärfer.«
Ich sah Kygo an. »Das ist nicht wahr, oder?«
Kygo straffte sich. »Ihr sagt es selbst, Eona – wir sind zahlenmäßig unterlegen. Und wir werden immer zahlenmäßig unterlegen sein. Ich schwöre, ich wollte nie, dass Ihr den Treueeid brecht. Ich wollte nur, dass Ihr ihn beherrscht.« Dabei wies er mit dem Kopf auf Ido. » Er hat kein Problem damit, jemanden umzubringen.«
Ido lachte und es klang schrill und verbittert. »Ihr seid Eurem Onkel ziemlich ähnlich.«
Kygo umfasste den Schwertgriff fester.
»Wann wolltet Ihr mir das sagen, Kygo?« Meine Stimme klang fern, als stünde ich weit weg von mir.
»Wenn wir uns mit dem Widerstand im Osten des Landes vereinigen. Vor dem letzten Schlag.«
Ich stand auf. »Nun, jetzt weiß ich es.« Hinter dem Boot lagen drei tote Soldaten. Caido, der ihre Waffen einsammelte, sah auf, als ich um den Bug kam.
»Eona«, rief Kygo mir nach. »Ich wollte Euch fragen .«
Ich sah mich um. »Danke für so viel Rücksicht, Majestät.«
Die Arme um den Körper geschlungen, ging ich auf das verwüstete Dorf zu. Die riesige kohlschwarze Vertiefung im Hügel darüber sah aus wie eine lange, klaffende Wunde.
18
C aido trat zwischen die beiden Toten auf dem schmalen Höhenzug über dem Strand. Der eine Mann hatte keine sichtbaren Wunden, doch sein Hals war in einem unheilvollen Winkel gebogen. Der andere hatte einen Stich ins Herz bekommen und Fliegen schwärmten um das Messer, das in seiner Brust steckte. Am Rücken trug er einen Köcher. Obwohl ich etwas weiter weg stand und die Abenddämmerung heraufzog, sah ich, dass die Pfeile darin genauso gefiedert waren wie der Pfeil, der Ido getroffen hatte.
»Ja, das ist Jun, Majestät.« Caido betrachtete den Erstochenen kopfschüttelnd. »Unfassbar. Er war von Anfang an beim Widerstand.«
Es war der junge Bogenschütze, der Ido oft bewacht hatte. Er schien dem Kaiser treu ergeben zu sein, doch ich hatte nur ein- oder zweimal mit ihm gesprochen. Wer wusste schon, was im Herz der Menschen vorging? Ich sicher nicht.
»Wer ist der andere?«, fragte Kygo.
»Einer von den Dorfwächtern«, erwiderte Yuso. »Auch alle anderen Wachposten sind tot, erschossen mit den gleichen Pfeilen wie hier im Köcher. Gründliche Arbeit.« Er warf Caido einen fragenden Seitenblick zu.
Der Widerständler wischte sich über den Mund. »Jun war unser bester Bogenschütze.« Er blickte über den Strand zu dem Boot, hinter dem wir uns versteckt hatten. »So ein Schuss wäre eine Kleinigkeit für ihn gewesen.« Er seufzte und der schmächtige Körper fiel in sich zusammen. »Das wird seinen Vater umbringen.«
Ryko stand auf, nachdem er die Gegend aus der Hocke mit den Augen abgesucht hatte. »Der Wächter scheint Jun überrascht zu haben.« Er wies auf eine von Kampfspuren zerwühlte Stelle hinter zwei Felsen. »Der Mann konnte seinen Stich ins Herz landen, bevor Jun ihm den Hals gebrochen hat.«
»Was sagt Ihr, Naiso?«, fragte Kygo, ohne mir wirklich in die Augen zu sehen.
Er hatte seinem Naiso befohlen, ihn zu begleiten, und sein Naiso hatte gehorcht. Doch falls er gehofft hatte, auch Eona werde ihm beistehen, hatte er sich getäuscht. Sie war irgendwo tief in mir verborgen, starr und reglos.
»War er je bei der Armee, Caido?«, fragte ich.
Der Widerständler nickte. »Dort hat er seine Bogenkunst erlernt. Am Lagerfeuer hat er so manche seltsame Geschichte erzählt aus dieser Zeit.« Er räusperte sich.
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