Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
Vom Netzwerk:
auf. »Mit unserer Macht? Wie Ihr es am Palast getan habt?« Ich schüttelte den Kopf – zum Zeichen der Ablehnung, aber auch, um die Erinnerung an die brennenden, schreienden Soldaten abzuschütteln, bei der mir übel wurde. »Das kann ich nicht tun.«
    »Ihr habt gesehen, was da über den Hügel auf uns zukommt. Wir sind den Angreifern zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen.«
    Er hatte recht. Ich sah zu dem stillen Dorf hinauf, das sich über die sichelförmige Bucht erstreckte. In ein paar Minuten würde es ein Schlachtfeld sein.
    »Ich darf niemanden töten mit meiner Macht.« Es lastete schon schwer genug auf mir, dass ich sechsunddreißig Menschen auf dem Gewissen hatte.
    »Auch nicht, um Eure Freunde zu retten? Und Euren geliebten Kaiser?« Er neigte den Kopf zur Seite. »Nicht einmal, um Euch selbst zu retten, Eona?«
    Mit klopfendem Herzen sah ich erneut zum Dorf hinauf. Die Drachen sollten der Harmonie dienen und dem Leben. Sie waren nicht dazu da, zu töten und Krieg zu führen.
    »Wir können es zusammen tun«, sagte Ido. »Ich halte die zehn beraubten Drachen fern und Ihr setzt den Bli-«
    Ich sah, dass auch er das helle, leise Zing gehört hatte. Gleich darauf ertönte das dumpfe, nasse Dröhnen eines Treffers. Ido fuhr nach links herum, taumelte zur Seite und fiel mit weit aufgerissenen Augen auf die Knie. Aus seiner Brust ragte ein Pfeil, und hellrotes Blut sickerte in den dunklen Stoff des Gewands. Mit einem qualvollen Stöhnen brach er zusammen.
    Auf dem Deich ertönten Schreie, während die Dorfbewohner in alle Richtungen auseinanderstoben. Ich ließ mich in den Sand fallen, denn mein Instinkt war stärker als der Schock. Der Pfeil war aus großer Höhe von den westlichen Klippen gekommen. Die nächste Deckung war das kieloben liegende Boot. Auf allen vieren kroch ich zu Ido. Er lag auf der Seite, die Hände um den Pfeil gekrallt, und keuchte. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen, und ein leises, saugendes Geräusch kam von der Stelle um den langen metallenen Schaft, während Blut zwischen Idos Fingern hervorquoll. Der Pfeil hatte sich in die Lunge gebohrt und er bekam keine Luft. Ich hatte schon öfter solche Wunden gesehen – sie waren immer tödlich gewesen. Ich musste Ido heilen. Und zwar schnell.
    »Ido, seht mich an.« Seine Augen waren trüb, und die Haut um seine Lippen verfärbte sich bereits bläulich. »Wir müssen es bis hinter das Boot schaffen.«
    Sein blasses Gesicht verhärtete sich, als wollte er protestieren, doch ich packte ihn unter der linken Achsel und zog an seinem Arm. Er stöhnte auf, doch er bewegte sich kaum von der Stelle. Er war ungeheuer schwer.
    »Versucht es«, drängte ich. »Versucht es.«
    Er rang nach Luft und stemmte die Fersen in den Sand, während ich ihn erneut am Arm zog, doch das half nichts.
    »Ich kann nicht«, flüsterte er. Die Anstrengung beim Sprechen war so groß, dass Blutbläschen in seine Mundwinkel traten.
    »Eona!«
    Ich schaute ruckartig hoch, als ich den verzweifelten Ruf hörte. Zwei Männer kamen mit gezücktem Schwert über den Sand gehetzt: Kygo, der die weiche, wegrutschende Oberfläche mühelos durchpflügte, und Caido, der große Mühe hatte, mit seinem Kaiser Schritt zu halten. Auf dem Deich brachten die beiden anderen Wächter Ordnung in die verbliebenen Dorfbewohner.
    »Wir sind umzingelt!«, schrie Kygo.
    »Runter!«, rief ich, hin und her gerissen zwischen Erleichterung und Angst, und wies hinter die zwei. »Pfeile.«
    Sofort duckten sich beide und rannten im Zickzack weiter. Kygo war als Erster bei mir und blieb mit so viel Schwung stehen, dass ein Schauer aus Sandkörnern auf Ido und mich niederging. Caido folgte ihm auf dem Fuße.
    »Heilige Mutter von Shola«, fluchte Kygo, als er sich Idos Verletzung besah. Dann fasste er mich am Arm. »Ist alles in Ordnung mit Euch?«
    Ich nickte. »Ich muss ihn heilen. Wir haben nicht viel Zeit.«
    »Ihr nehmt den einen Arm, ich den anderen«, sagte Kygo zu Caido. »Schnell hinter das Boot, Eona«, rief er und stieß mich darauf zu.
    Ich hörte, wie Ido gurgelnde Laute ausstieß, als sie ihn auf die Beine hievten und ihn langsam hinter mir über den Sand zogen. Ich kroch hinter das Boot und presste mich an den schützenden Rumpf des Bootes. Kygo und Caido hasteten gebeugt im Laufschritt um den Bug, den zusammengesackten Ido als schwere Last auf den Schultern. Caido ließ sein Schwert fallen, umfasste das Drachenauge und zog es an seine Brust. Leise stöhnend vor Anstrengung, setzte

Weitere Kostenlose Bücher