EONA - Das letzte Drachenauge
eingesetzt habt.«
Mir war unbehaglich zumute und ich setzte mich anders hin. »Wie kommt Ihr darauf, dass Ryko es ihm erzählt hat?«
Ido hob die Hände an seinen Kragen und zog sich das Gewand mit einer geschmeidigen Bewegung über den Kopf.
»Was macht Ihr da?«, wollte ich wissen und drückte mich ans Kopfende der Koje.
Er warf das Gewand aufs Bett. Im gelben Lampenlicht waren die dunkelvioletten Blutergüsse an den Rippen deutlich zu sehen. »Ich schätze, Kygo weiß von Eurer neuen Methode, mich zu beherrschen.« Er klang ungerührt. »Er wird Euch verbieten, sie anzuwenden, und seine Hoffnung in Tozay setzen. Wollt Ihr ihm gehorchen wie ein braves kleines Mädchen? Oder wollt Ihr das Herrschende Drachenauge sein und Kontrolle über Eure Macht gewinnen?«
Ich starrte auf Idos Verletzungen. »Hat er das getan?«
»Yuso, im Namen Seiner Majestät.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das hat Yuso in seinem eigenen Namen getan. Kygo hätte das selbst erledigt.« Ich beachtete das ungläubige Schnauben des Drachenauges nicht. »Wenn wir es tun, Ido, dann nur mit Kygos Wissen. Tozay hat mich gebeten, meine ganze Macht Kygos Befehl zu unterstellen – weg vom Treueeid –, und ich habe Ja gesagt.«
»Ihr habt was ?« Ido sah mich fassungslos an. »Ihr habt ihm doch wohl nicht von dem schwarzen Buch erzählt?«
Ich hob das Kinn. »Noch nicht.«
Er beugte sich vor und packte mich am Unterarm. »Und Ihr werdet das auch nie tun, Mädchen.«
Ich wollte mich aus seinem Griff winden, doch er ließ nicht los.
»Muss ich Euch die Folgen ausmalen?«, fragte er. »Falls Kygo das schwarze Buch bekommt, lässt er mich ohne Frage in Ketten legen, doch das ist noch nicht alles. Ihr seid das Spiegeldrachenauge. Eure Macht wird stets größer sein als alles, was er mir nimmt, und das wird Euch zu einer Bedrohung machen. Vielleicht nicht sofort, aber allmählich wird sich euer Verhältnis verschlechtern – womöglich werdet Ihr hinsichtlich eines Krieges anderer Meinung sein als er, oder er wird in Leuten, die früher Verbündete waren, langsam Feinde sehen, oder vielleicht wird er Eurer einfach als Frau überdrüssig. Irgendwann wird er auch Euch in Ketten legen.« Ido ließ mich los. »Letztlich wird Macht immer dazu benutzt, noch mehr Macht zu bekommen. Das liegt in ihrer Natur.«
»Das könnt Ihr nicht wissen.«
»Ich verstehe etwas von Menschen und ich verstehe etwas von Macht, Eona.« Das Schiff neigte sich unvermutet zur Seite. Ich klammerte mich an die Bettkante und er stützte sich mit der Hand an der Wand ab. »Er hat die Gelegenheit schon erkannt und Euch gebeten, den Treueeid erneut zu brechen – obwohl er am Strand geschworen hatte, dass er das nicht vorhabe.«
»Tozay hat mich darum gebeten. Nicht Kygo.«
»Das kommt auf das Gleiche heraus, Eona. Begreift Ihr denn nicht, dass die beiden Euch manipulieren?« Er fasste mich am Kinn. »Arme Eona. Seine Majestät wird auf immer mehr drängen – über Tozay oder über andere Strohmänner –, bis er erkennt, dass er eine Bedrohung für seine Macht geschaffen hat. Und wir alle wissen, wie das endet.«
»Das wird nicht geschehen.« Mein Widerspruch kam zu leise angesichts des heulenden Sturms. »Er liebt mich.«
»Er hat Euch gebeten, gegen Eure Überzeugung zu handeln. Verhält sich so ein Liebender?«
Ich zog mein Kinn aus seinem Griff. »Was wisst Ihr denn schon von Liebe?«
Seine Augen flackerten. »Ich weiß, dass es dabei auch um Macht geht. Darum, wer gibt und wer nimmt. Und darum, wer gewillt ist, das Risiko einzugehen, sein wahres Ich zu zeigen.«
Idos Miene war so eindringlich, dass ein Hitzestrom durch meinen Körper fuhr.
Er senkte den Kopf und strich mit dem Daumen über die Schürfwunde, die die Fesseln an seinem Handgelenk hinterlassen hatten. »Ihr habt Euch einen Weg in mein Hua gebahnt, Eona. Ihr habt mich verändert. Erst durch Eure Macht – dann einfach durch Euer Wesen.« Er hob den Kopf und zeigte seine Gefühle ganz unverstellt. Sein rohes Verlangen nahm mir den Atem. »Ihr habt mich in meinen schlimmsten und in meinen schwächsten Momenten erlebt. Erlaubt mir, dass ich mich Euch auch in meinen besten Momenten zeige. Helft mir, das Boot und alle Passagiere zu retten wie ein wahres Drachenauge.«
Ich starrte ihn an, außerstande, diese Liebeserklärung zu verkraften. Denn genau das war es, oder? Doch Lord Ido liebte nichts außer Macht.
»Was sagt Ihr da?«, brachte ich schließlich hervor.
Das Dringliche in seiner Miene wich
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