Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
Vom Netzwerk:
genug Kraft aufbrachte, ein Gebet zu Shola für die Sterbenden und die Toten zu sprechen. In meinem Kopf gab es nur noch einen Gedanken: Ich hatte sie alle enttäuscht – Kygo, Kinra und die Drachen, die wir versklavt hatten.
    Ungeduldig stieg Sethon schließlich die Stufen der Plattform hinab und wartete unten auf die Gefangenen. Ich musste an seiner Seite bleiben und sein Gefolge von Beratern und Bediensteten stellte sich in Reih und Glied hinter uns auf, während er – eines von Kinras Schwertern in der Hand und mit dem anderen Arm bei mir untergehakt – auf und ab ging, als würden wir durch einen Garten schlendern. Der Wind, den Ido geschaffen hatte, wehte längst nicht mehr und in der schwülen, feuchten Luft begannen die Leichen bereits nach Verwesung zu stinken. Soldaten sammelten sich, um Sethon und das siegreiche Ende des Krieges zu betrachten. Ihre grausige Neugier lastete ebenso auf mir wie die schwüle Hitze.
    Ein weiterer furchtbarer Gedanke fraß sich langsam in mein Entsetzen: War Kygo noch am Leben? Und Ido? Sethon hatte ihre Festnahme befohlen, doch in einer Schlacht lief vieles aus dem Ruder.
    Ein Murmeln ging durch die Wartenden und kündigte die Ankunft der Gefangenen an. Sethon packte meinen Arm fester, als die Menge sich teilte und eine aufrechte, stolze Gestalt langsam zwischen zwei Bewachern heranschritt: Kygo, die Hände hinter dem Kopf wie ein gewöhnlicher Gefangener, während die Kaiserliche Perle trotzig über dem geöffneten Ringkragen seiner Kampfweste prangte. Er lebte. Dahinter schleiften zwei Jäger Idos schlaffe Gestalt zwischen sich; er war bewusstlos, wie Sethon es befohlen hatte.
    Kygo hatte den Kopf erhoben, doch ich sah, wie Schmerz und Trauer bei jedem Herzschlag an ihm zehrten. Die Niederlage hatte ihn völlig zerfressen. Was noch übrig war, stand in seinem hohlwangigen Gesicht geschrieben: Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und ein letzter Rest von Mut, der ihn noch aufrecht hielt. Während der Abstand zwischen uns kleiner wurde, suchten seine dunklen Augen die meinen und ich sah, dass ihm noch etwas geblieben war: ich.
    Sethon hob die Hand und Kygos Bewacher blieben stehen und stießen den Kaiser ein paar Meter vor uns auf die Knie. Die Jäger ließen Ido los und er sackte zu Boden; Wimpern und Brauen waren das einzig Farbige in seinem bleichen Gesicht. Ich entdeckte auch Ryko, Dela und Tozay; sie waren blutbefleckt, aber sie lebten und knieten hinter Kygo in den müden Reihen der gefangenen Widerständler. Von Vida war nichts zu sehen. Ich betete, sie möge mit meiner Mutter, Rilla und Chart im Zeltlager in Sicherheit sein.
    Kygo starrte auf das geronnene Blut vorn auf meinem Hemd. »Eona, was hat er Euch angetan?«, stieß er heiser hervor. »Ist alles in Ordnung mit Euch?«
    Ich nickte, obwohl es nicht stimmte. »Es tut mir so leid«, brachte ich hervor. »Ich stehe unter seinem Zwang.« Ich wollte die Hände bewegen, doch sie gehorchten mir nicht. »Das schwarze Buch.«
    »Ihr habt weniger Ehre als ein Stück Scheiße«, fuhr Kygo seinen Onkel an.
    »Und Ihr habt genauso viel Ehre wie Euer Vater«, konterte Sethon.
    Kygos Miene verhärtete sich so sehr, dass alle Muskeln seines ausgeprägten Kiefers zu sehen waren. »Das hoffe ich.«
    »Das war nicht als Kompliment gemeint.« Sethon holte tief Luft, als würde er seine nächsten Worte auskosten. »Verneigt Euch vor Eurem Kaiser.«
    »Nein«, erwiderte Kygo mit stahlharter Stimme.
    »Verneigt Euch!«, befahl Sethon.
    »Vor einem Verräter dieses Landes werde ich mich nicht verneigen«, erklärte Kygo laut.
    Bei seinen Worten horchten die Soldaten ringsum ahnungsvoll auf, als wäre das Gitter zwischen zwei Kampfhunden geöffnet worden.
    Mit einer Bewegung des Kinns wies Sethon auf einen Wache stehenden Soldaten. »Hol einen seiner Männer.«
    Der Wächter zerrte einen knienden Gefangenen vor unsere Füße. Es war Caido und sein Körper war gebeugt vor Erschöpfung. Er sah zu Kygo hoch und seine blutleeren Lippen bewegten sich im Gebet.
    Sethon hob Kinras Schwert. »Verneigt Euch oder ich töte Euren Mann.«
    Kygo erstarrte, doch bevor er etwas sagen konnte, stürzte Caido sich auf Sethon, das Gesicht verzerrt vor verzweifelter Wut. »Er verneigt sich nicht vor Euch!«
    Das Schwert sauste herab, Knochen knirschten und gleich darauf spritzte Blut. Caido sank zu Boden. Ich schloss die Augen, und das Bild seines halb abgehackten Kopfs drängte gegen meine Lider.
    »Yuso«, bellte Sethon. »Welche Gefangenen sind meinem

Weitere Kostenlose Bücher