EONA - Das letzte Drachenauge
mir die Kehle zu.
Plötzlich war es vorbei. Nur noch etwas Erde regnete zu Boden, und Sethon atmete keuchend. Dann drangen von unten Schreie zu uns herauf.
Ich blinzelte Staub und Tränen weg. Der Spalt war knapp an der Plattform vorbeigegangen und trennte ein Drittel von Sethons Heer vom Rest der Soldaten.
»Mein Neffe kennt seinen Xsu-Ree«, knurrte Sethon und schloss die Linke um die Perlen, die meine Hände fesselten. »Zeigt mir die Drachen!« Sein Gesicht war so nah bei dem meinen, dass ich die metallische Macht des schwarzen Buches in seinem Atem riechen konnte.
Der Blutzwang schleuderte mich in die Energiewelt, und durch Sethons durchscheinende Gestalt floss dickes schwarzes Hua, während die Pfade in meinen Armen voll dunkler Adern waren. Sethon schnappte nach Luft bei dieser jähen Veränderung.
Unter uns wirbelte das Schlachtfeld in schillernden roten und orangen Tönen: Tausende und Abertausende Soldaten, reduziert auf pulsierende Punkte aus Hua und noch wie gelähmt vom Schrock des doppelten Angriffs aus der Luft und vom Boden her. In den abklingenden Blitzen leuchtete die zerfleischte Erde mattweiß auf und in der dunklen Narbe des Spalts flackerte das Hua der sterbenden Männer wie das winzige Glimmen von Glühwürmchen.
Oben kreiste der blaue Drache über der Ebene und sein riesiger Leib widersetzte sich beharrlich dem schwarzen Buch. Ein hauchdünner Faden verband ihn mit dem Hügelkamm: Ido, der seine Macht einsetzte. Der rote Drache kämpfte dagegen an, dass ihm die dichtere Energie entzogen wurde und er dafür das dunkle Hua des schwarzen Buchs empfing, das seine blutroten Schuppen stumpf werden ließ. Meine Augen hefteten sich auf die goldene Perle unter seinem Kinn. Seine Erneuerung.
Bring es in Ordnung . Kinras Bitte pochte durch mein Blut.
Der Rattendrache ging in den Sturzflug und seine Macht riss auf der rechten Seite des Schlachtfelds einen weiteren Spalt auf, der geradewegs durch das rote und das grüne Bataillon lief. Viele Hundert helle Punkte aus Hua flackerten auf und verschwanden in dem immer tiefer klaffenden Riss. Ido schuf zwei unüberwindliche Schluchten und teilte Sethons Heer in drei Abteilungen. Vom Hügelkamm her fluteten die Widerständler in hellen Linien aus Hua den steilen Hang hinab, um die Reste des roten und des grünen Bataillons anzugreifen, die zwischen den tiefen Gräben eingepfercht waren. Ich wusste, dass auch Kygo sich unter den Angreifern befand, gewiss ganz vorn, und ich schickte ein verzweifeltes Gebet zu Bross hinauf, er möge ihn beschützen. Idos Position war leicht auszumachen; sein dünner Machtfaden stieg aus der Mitte der Angreifer direkt zu seinem Drachen auf, der auf seinen Befehl hin noch immer den Boden aufriss.
»Haltet ihn auf!«, brüllte Sethon.
Ein Drängen durchflutete mich und fasste nach dem roten Drachen. Bittere schwarze Energie krallte sich seine Macht und zwang uns in die Vereinigung. Diesmal empfanden wir keine herrliche Wärme oder zimtene Wonne, sondern nur Wut und Angst. Ich kämpfte dagegen an und versuchte, mich aus der Vereinigung herauszuwinden, um meinen Drachen vor Sethons Willen zu schützen, doch die Blutmacht fraß sich einen Pfad in unsere Verbindung wie Säure.
»Haltet Idos Drachen auf«, befahl Sethon. »Greift ihn an.«
»Nein!«, keuchte ich und spürte, wie meine Weigerung durch unsere Verbindung heulte, doch der Spiegeldrache und ich ballten unsere Kraft bereits gegen das blaue Tier.
Wir fuhren die Krallen aus, unsere massigen Muskeln spannten sich in tödlicher Entschlossenheit und wir stürzten uns auf den Rattendrachen. Er fuhr herum und stellte sich kreischend unserem Angriff. Dadurch wurde seine Macht weggezogen von dem zweiten Spalt. Der war nicht fertig: Die beiden Bataillone waren noch durch eine Landbrücke verbunden. Unsere Krallen erwischten die blauen Schuppen und rissen dem Tier eine klaffende Wunde in die Flanke. Der Drache brüllte, schlug uns den mächtigen Schwanz mit Wucht gegen die Brust und schleuderte uns nach hinten. Die Energiewelt wirbelte in verschwommenen Farben an uns vorbei, während wir uns Sethons Griff zu entwinden suchten, doch die Fessel war zu fest. Wir schwangen uns in Spiralen aufwärts, um das blaue Tier erneut anzugreifen. Es wich zurück, doch wir folgten ihm und hieben nach seiner breiten Brust.
Ido! Ich wollte meine Geiststimme durch die Barriere des schwarzen Buches schicken, doch es war, als würde ich versuchen, ihn durch eine dicke Mauer zu rufen.
Wir
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