EONA - Das letzte Drachenauge
auf.
Sethon lächelte und seine Narbe verzerrte seine Miene. »Er kann bei den Festlichkeiten mitmachen. Ich werde den Männern einen Kaiser zeigen, der zwei Drachenaugen in die Knie zwingen kann.«
Großlord Tuy erhob sich halb von seinem Stuhl am Rand des Podests. »Bruder«, sagte er. »Ihr habt gesehen, wie Lord Ido das Schlachtfeld zerstört hat. Vielleicht wäre es umsichtiger, ihn in der Schattenwelt zu lassen.«
Sethon musterte Tuy kurz und wies dann mit dem Schwert auf Yuso. »Erklärt meinem Bruder, wie Lady Eona Lord Ido kontrolliert.«
Am anderen Ende des Podests erhob Yuso sich von den Knien. »Dazu bedarf es keiner Drachenmacht, Großlord Tuy«, sagte er und verbeugte sich.
Jetzt wusste ich, warum Yuso noch immer hier war: als Wegweiser zu meiner Macht. Oder doch zu dem, was er davon wusste.
»Siehst du, mein Bruder: keine Drachen, keine Gefahr«, sagte Sethon. »Ich habe Lady Eona völlig unter Kontrolle und sie wird Ido ihrem Willen unterwerfen.«
Er wies auf den Arzt, der neben Kygo wartete. Der untersetzte Mann verneigte sich steif, eilte, seine rot lackierte Schachtel an sich gedrückt, über die Plattform, beugte sich über Ido, zog eines seiner Lider hoch und zeigte das glasige Bernsteinauge.
»Er wacht bald auf, Majestät.« Die Stimme des Arztes war ganz schrill vor Anspannung. »Wenn ich das Atemelixier anwende, dürfte er sofort erwachen.«
Sethon kam wieder zu mir geschritten. In seiner Miene stand die Vorfreude darauf, Ido unter seiner Kontrolle aufwachen zu sehen. »Dann tut es.«
Mit zitternden Händen nahm der Arzt ein kleines Porzellanfläschchen aus der Schachtel und zog den Korken. Ein scharfer Geruch drang zu mir und brannte mir in der Kehle. Das Fläschchen wurde Ido unter die Nase gehalten, er atmete keuchend ein und warf den Kopf in den Nacken. Seine Augen öffneten sich und die schwarzen Pupillen waren nur so groß wie Stecknadelköpfe.
»Lady Eona«, sagte Sethon. »Zwingt Lord Idos Macht unter meinen Willen.«
Ich sträubte mich gegen diesen Befehl und versuchte, die Kraft abzuwehren, die sich meiner Macht bediente. Der Arzt nahm seine rote Schachtel und zog sich rasch zurück, während Ido sich aufrappelte. Ich spürte, wie das Hua in ihm strömte, als er nach der Energiewelt griff, doch Sethons Zwang rammte meine Macht in ihn. Der mächtige Schlag wehrte Idos Ruf nach seinem Drachen ab, und er verharrte zusammengekauert. Idos rasender Herzschlag unterwarf sich meinem Puls und unsere beiden Rhythmen waren in Sethons und in meinem Zwang gefangen. Hinter Ido schrie Ryko und krümmte sich unter dem Andrängen der Macht.
Einen Augenblick lang war alles still.
Langsam hob Ido den Blick und nahm das Bild der Plattform in sich auf. »Ich hatte mir etwas anderes erhofft«, sagte er heiser.
»Willkommen zurück, Lord Ido«, erwiderte Sethon und gab dem Drachenauge einen Tritt in die Rippen. Ido sackte nach vorn und unter den Soldaten erhob sich begeistertes Gebrüll. »Bringt ihn dazu, dass er sich vor mir verbeugt, Lady Eona.«
Der Befehl ging durch mich hindurch in Ido hinein und zwang seine Stirn mit Wucht auf die Plattform. Das Drachenauge stöhnte auf.
Sethon setzte ihm den Stiefel in den Nacken und lächelte seinen Bruder an. »Wie Ihr seht, bin ich der Herr der letzten beiden Drachenaugen.« Er hob die Stimme zu einem Schlachtruf: »Ich bin unbesiegbar!«
Die Soldaten, die noch immer blutrünstig waren, skandierten: »Unbesiegbar! Unbesiegbar!«
Großlord Tuy verbeugte sich und ließ sich wieder in seinen Sessel sinken. Sethon hob den Stiefel von Idos Nacken und sah mich an. »Zieht ihn auf die Knie«, befahl er.
Die Blutenergie hob Idos Kopf und Oberkörper von der Plattform und hielt ihn aufrecht. Er schwankte und sein Widerstand gegen meinen Zwang erschütterte unsere Verbindung immer wieder.
»Ich sehe, dass Lady Eona Euch vollkommen wiederhergestellt hat, Lord Ido.« Sethon fuhr mit dem Daumen über die schmale Nase des Drachenauges, über die glatten Wangen und den edel geschwungenen Kiefer. Ido blähte die Nüstern, doch er konnte nicht zurückweichen. Sethon ballte die Faust. »Ich freue mich, dass Ihr Euer früheres Selbst wiedererlangt habt. Wir können also von vorn beginnen.« Unvermittelt krachte Knochen auf Knochen und Idos Kopf ruckte zur Seite.
Sethon packte Ido an den Haaren und zog den Kopf wieder aufrecht. »Ist das Angst in Euren Augen, Lord Ido?«
»Es ist Abscheu«, erwiderte das Drachenauge.
Sethon lachte. »Mutige Worte.« Er
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