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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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sich wieder in den Sattel. Dann gab er Dela träge ein Zeichen, und die brachte unser Zugpferd zungenschnalzend und mit einem Gertenschlag dazu, sich widerstrebend in Marsch zu setzen. Es war ein eigensinniger Brauner, den Yuso zusammen mit seinem Tier gekauft hatte, um zwei der drei Pferde zu ersetzen, die wir auf dem überfluteten Hang verloren hatten. Nur Kygos Ju-Long hatte die Schlammlawine überlebt, denn das kräftige Herz und das Durchhaltevermögen des Schlachtrosses waren stärker gewesen als der Schock über das Wasser.
    Wir rumpelten über das Pflaster auf das riesige Tor zu. Je zwei schwitzende Wächter flankierten den riesigen tunnelartigen Torbogen und beobachteten, wie wir heranrollten. Ihrem Grinsen nach zu schließen, hatten sie Yusos Unterhaltung mitbekommen. Immerhin gab die genaue Kontrolle Yuso, Dela und mir recht, denn wir hatten viele Stunden darauf verwendet, Kygo davon zu überzeugen, es sei zu gefährlich für ihn, mit uns in die Stadt zu reisen. Schon seine Art, sich zu bewegen, hätte die Aufmerksamkeit der Wächter erregt, von seinem kaiserlichen Mienenspiel ganz zu schweigen. Er hatte schließlich eingewilligt, mit Caido und dessen Widerstandstrupp in den nahen Hügeln zu warten, bis sie mit ihrem Teil des Plans an der Reihe wären.
    Diese hitzigen Debatten neben Yuso und Dela waren der engste Kontakt, den ich bis vor wenigen Stunden mit Kygo hatte. Seit der ausweglosen Situation im Strategiesaal hatte er nicht mehr allein mit mir reden wollen, obwohl ich ihn bei den letzten Lagebesprechungen im Widerstandslager oft dabei ertappt hatte, wie er mich ansah. Doch er hatte immer weggeschaut und ich hatte mich unsicher gefühlt und halbherzig gelächelt, denn ich hatte keine Landkarte für das neue Territorium zwischen uns. Während der anstrengenden Reise in die Stadt war er bei Caido und dessen Männern geblieben. Erst bei unserer Trennung auf einer menschenleeren, staubigen Piste ganz am Rand der Stadt rief er mich schließlich zu einem Gespräch unter vier Augen zu sich.
    Er nahm meine Hand und ich spürte seine Anspannung, als er mir ein kleines metallenes Gewicht hineindrückte: den breiten, mit roter Jade besetzten Goldring. Sein Blutamulett.
    »Den sollt Ihr als Schutz vor Leid und Unglück tragen.« Er schloss meine Finger um den Ring. »Mein Vater hat ihn an meinem zwölften Geburtstag anfertigen lassen. Er wurde mit meinem Blut und mit dem Blut des ersten Menschen geschmiedet, den ich getötet habe, zu Ehren von Bross.« Er bewegte die Schultern, als spürte er die Berührung des Mannes, den er damals umgebracht hatte.
    Ich öffnete die Hand und betrachtete den Ring. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, doch das Gold schien tatsächlich rosa getönt zu sein. »Wer war dieser Mann?«
    »Ein Soldat, der Sethon töten wollte. Ich habe ihn hingerichtet.« Die Ironie, die darin lag, klang in seinen Worten mit. »Nehmt das Blut des Verräters an Euch, Eona. Und mein Blut.« Sein Blick verdüsterte sich. »Heute ist der letzte Tag, rechtmäßig Anspruch auf den Thron zu erheben.«
    »Euer Onkel wollte Euren Anspruch nie anerkennen. Niemals!«, sagte ich, als könnte meine Heftigkeit ihm die Last von der Seele nehmen.
    Er nickte. »Und doch bin ich ab morgen offiziell ein Verräter. Ein Rebell.« Er fuhr mir mit dem Daumen über den Handrücken. »Passt auf Euch auf, Eona.«
    Ich sah ihm nach, als er davonging, und hielt den Ring so fest umschlossen, dass er sich mir ins Fleisch grub. Die Grenzen zwischen uns hatten sich erneut verschoben und ich wusste nicht, wo ich stand. Nur ein Markstein auf unserer Landkarte erschien mir unverrückbar: die Wahrheit, die in unserem Kuss lag.
    Unser Wagen rumpelte ins kühle Halbdunkel der Tordurchfahrt und ein Wächter spähte um die dicke Marmormauer. »Ich werde meinen Lohn für dich sparen, Schönheit«, rief er und grinste mit rotem Gesicht.
    Durch mein Gewand hindurch tastete ich nach dem Ring, den ich an einem langen Lederband um den Hals trug, den Blicken entzogen. Ich betete im Stillen zu Bross: Beschütze uns und beschütze Kygo, wo immer er auch sein mag .
    Dann lehnte ich mich mit der Schulter an das oberste Wagenbrett, spielte den mit großen Augen staunenden Neuankömmling und begaffte die massigen behauenen Arbeiten an der Innenseite der Mauern. Es handelte sich meist um die üblichen riesigen Schutzgötter der Tore und um die verbreiteten Symbole des Wohlstands, doch es gab auch verwitterte Inschriften in anderen Sprachen. Ich war mir

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