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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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sicher, dass ich eine der seltsamen, von links nach rechts verlaufenden Schriften am Kaffeestand von Ari dem Fremden gesehen hatte. Als wir aus der Durchfahrt zurück in die strahlende Hitze und in das Getümmel der Altstadt kamen, fiel mir ein, dass die Inschriften vermutlich von alten Eroberern hinterlassen worden waren. Vielleicht sollten auch wir unsere Namen in den Stein meißeln – eine tollkühne Armee von fünfen, die in die Himmlische Stadt einzudringen versuchten.
    Ich warf einen Blick zu Ryko. Er saß immer noch über seine Hände gebeugt da, doch er beobachtete von unten die vorbeiziehenden Stände und die sich vorwärtsschiebende Menge mit einer Intensität, die mir verriet, wie aufgebracht er noch immer war. Nach der Stille der Landstraße ließen die Rufe der Verkäufer, das Geschrei der Kinder und das Gebell der Hunde mich zusammenfahren. Wir waren im südwestlichen Affenviertel, der ärmlichsten Gegend der Stadt, und es wimmelte von Soldaten. Ich rückte vom Rand des Wagens weg und schlang die Arme um meine angezogenen Beine, damit man mich nicht so gut sehen konnte. Vida grub ihre Fingernägel in die Oberschenkel und beobachtete die Geschäftigkeit der Stadt durch den Vorhang ihrer wild abstehenden Haare.
    Entlang der schmalen Straße hingen noch immer zerfetzte rote Lampions vom Neujahrsfest an Querstreben, und an einigen Ladentüren flatterten lange rote Fahnen mit Neujahrsgedichten, die Wohlstand und Glück anziehen sollten. All dies hätte man aus Respekt vor dem Tod des alten Kaisers schon vor Tagen abnehmen müssen. Die Kaufleute hofften zweifellos, diese Wünsche würden helfen, ihre Läden vor Sethons Soldaten zu schützen.
    Lautes Männerlachen drang durch den Lärm der ihre Waren anpreisenden Straßenhändler und durch das zeternde Gefeilsche. Ich hielt den Kopf ganz ruhig, doch ich konnte die Quelle der Fröhlichkeit aus den Augenwinkeln ausmachen. Eine große Gruppe Soldaten, die dienstfrei hatten, lümmelten auf den Holzbänken eines Standes, an dem es Austerneintopf gab, und belustigten sich über den Witz eines Kameraden. Obwohl die Männer keine Notiz nahmen von unserem langsam dahinrollenden Wagen, zerrte Ryko an seinen Fesseln.
    Eine Weile ging ein Sesamkuchenverkäufer neben uns her und trommelte auf ein Holztablett, das von einer Korbstange quer über seinen Schultern hing. Der nussig süße Duft seiner Waren erfüllte die Luft und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Seit zwei Tagen hatte ich nur eingesalzene und getrocknete Marschverpflegung gegessen. Er warf mir einen Blick zu, und da er keine Chance sah, mir etwas zu verkaufen, eilte er weiter und ließ zu seinem Getrommel nun auch seine heisere Stimme ertönen.
    Bei diesen Lauten fing Yusos Pferd hinter uns an, nervös zu tänzeln, und der Hauptmann hielt es mit festem Zügelgriff und mit festem Druck der Knie im Zaum. Ich sah zu, wie er die Angst des Tieres überwand und es durch Beschwichtigungen wieder dazu brachte, sich unterzuordnen. Nach den letzten Tagen in Yusos Gesellschaft hatte ich endlich erkannt, was ihm Rykos Ergebenheit und Kygos Achtung sicherte. Es war nicht nur seine Meisterschaft in taktischer Täuschung, obwohl sie bei der Planung dieser Unternehmung offenbar geworden war, sondern auch die Tatsache, dass er sich um seine Männer kümmerte. An unserem letzten Tag im Lager des Widerstands hatten wir Solly bestattet, und als wir uns im Morgengrauen zu einem Trauerzug sammelten, war Yuso mit Tiron auf dem Rücken zu uns gestoßen. Der verletzte Gardist war nicht gerade ein Leichtgewicht und seine Beine waren geschient, doch Yuso hatte ihn zu dem Grab am Hügel hinaufgetragen, damit auch er mithalf, Solly zu seinen Vorfahren zu schicken. Und das war nicht seine einzige freundliche Geste gewesen. Ich hatte gesehen, wie er Tiron einen kleinen Beutel reichte, als wir uns von den Leuten im Lager verabschiedeten. Als ich ihn später fragte, was er dem jungen Gardisten gegeben hatte, musterte er mich genauso mürrisch wie immer und sagte: »Es geht Euch zwar nichts an, Mylady – aber ich habe ihm den Rest von meinem Sonnenpulver gegeben. Besser, der Junge gibt nicht auf, während seine Knochen heilen. Ich kann mir wieder etwas besorgen, wenn wir in der Stadt sind.«
    »Kopf runter«, sagte er jetzt durch die Zähne, während er an mir vorbeiglitt. Beschämt gehorchte ich. Schließlich durfte ich nicht aus der Rolle fallen.
    Er ritt nach vorn auf eine Höhe mit Dela. »Fahrt über die Brücke«, befahl er und wies

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