Epsilon
hereingekommen waren, wandte er sich wieder Susan zu.
Langsam setzte sie sich wieder.
»Sie haben keine Tonbandaufzeichnung dieses Gesprächs, keine Notizen. Sie müssen aber doch zumindest irgendeinen Beweis haben, wenn ich Ihnen glauben soll.«
»Ich habe ausführliches Material gesammelt. Einem Außenstehenden würde es ehrlich gesagt nicht viel verraten – sonst hätte ich mich damit sicher schon an die Öffentlichkeit gewandt. Aber Ihnen, Dr. Flemyng, wird es die Augen öffnen, und Sie werden schockiert sein, wozu Ihre Arbeit missbraucht wurde.«
»Warum kürzen wir die Sache dann nicht einfach ab? Zeigen Sie mir doch dieses Material.«
»Ich bin nicht so verrückt, es mit mir herumzutragen. Aber wenn Sie mit mir kommen…«
»Ich gehe mit Ihnen nirgendwohin, Mr. Samples. Ich kenne Sie nicht, und Sie flößen mir nicht gerade Vertrauen ein.«
Er zuckte erneut mit den Schultern, als bedauere er ihre Einstellung, könne sie aber verstehen, und stand nun seinerseits auf.
»Ich werde Ihnen das Material zukommen lassen, Dr. Flemyng. Verlassen Sie sich darauf. Wenn Sie Zeit hatten, es sich anzusehen, werde ich mich wieder mit Ihnen m Verbindung setzen.«
»Und was ist, wenn ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen möchte – aus welchem Grund auch immer?«
Samples schüttelte den Kopf. »Je weniger Leute wissen, wo ich zu finden bin, umso besser. Ich weiß, dass Sie immer noch vermuten, ich sei verwirrt oder paranoid. Oder dass ich irgendetwas Schlimmes im Schilde führe. Aber Sie werden Ihre Meinung ändern. Ich melde mich.«
Und bevor sie richtig begriffen hatte, war er durch die Tür verschwunden, und sie konnte ihm nur noch hinterherstarren. Das war nicht schlecht, dachte sie bei sich: Es war ihm gelungen, sie sitzen zu lassen, bevor sie ihn hatte sitzen lassen können. Ein kluger Schachzug.
Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie ihm hinterherlaufen sollte, ihr Gefühl sagte ihr jedoch, dass es ein Fehler gewesen wäre. Sollte er tatsächlich so verrückt sein, wie sie befürchtete, dann würde sie ihn nie wieder loswerden, wenn sie ihm zu einem solchen Sieg verhalf. Weitere Sekunden verstrichen, und damit war es sowieso zu spät; sie würde ihn nicht mehr einholen.
»Ist alles in Ordnung, Dr. Flemyng?«
Die Stimme mit dem starken tschechischen Akzent erklang so dicht an ihrem Ohr, dass sie erschrocken zusammenzuckte. Es war George, der Betreiber der Cafeteria. Sie blickte ihn verständnislos an.
»Ja«, sagte sie schließlich, »alles in Ordnung.«
Dann folgte sie seinem Blick und verstand, warum er nachfragte. Als Samples gegangen war, war sie aufgesprungen, ohne es zu merken. Dabei musste sie an den Tisch gestoßen sein, aber sie hatte nicht einmal gehört, wie die Kaffeetassen zu Boden gefallen und zersprungen waren.
8
Charlie starrte an die Decke. Bald würde die Sonne aufgehen. Debbie schlief friedlich an seiner Seite. Gegen halb drei waren sie eingeschlafen, aber er war kurz nach vier wieder aufgewacht, und zwar so abrupt, als hätte jemand einen Schuss im Zimmer abgefeuert.
Er betrachtete Debbie: Sie hatte kastanienbraun gefärbtes Haar, das in langen, dicken Strähnen über das Kissen fiel und ihr Gesicht rahmte, ein Gesicht, das zart und sinnlich zugleich war. Er überlegte, ob er sie wecken sollte, entschied sich aber dagegen. Stattdessen schlüpfte er aus dem Bett, zog sich einen Bademantel über und ging hinüber ins Wohnzimmer.
Sein Mund war trocken, also trank er ein Glas Mineralwasser, dann ließ er sich in seinem tiefen, eckigen, aber bequemen Sessel nieder. Er lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. Ein wirres Chaos von Gedanken und Bildern durchströmte ihn. Wieso strömen?, fragte er sich träge. Es war mehr ein reißender, über seine Ufer tretender Fluss, der Dämme und Brücken mit sich riss. Man musste sich anstrengen, um eine Ordnung herzustellen. Man setzt sich selbst wieder aus dem Treibgut zusammen, das man wie das Spielzeug eines Kindes, wie Bauklötze zusammenmontiert.
Doch wer gab das Muster vor? Wer sagte einem, was man bauen sollte?
Ein seltsamer Gedanke. Wo war er hergekommen?
Charlie öffnete die Augen. Es wurde schon langsam hell. Er stand auf und ging zur langen Glaswand hinüber, die sein Apartment von der Terrasse trennte. Ein dünner grauer Nebel, der im ersten Licht des Tages kaum sichtbar war, driftete von der See herüber.
Charlie starrte in diesen Nebel und hatte das Gefühl, in den eigenen Schädel zu blicken. Gedanken und
Weitere Kostenlose Bücher