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Epsilon

Epsilon

Titel: Epsilon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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mit einer Stadt namens Ostjachon in Sibirien verknüpft.
    Christopher war von der Idee, einige Tage bei seinem Freund Ben zu verbringen, begeistert. Susan verschwieg ihm, dass sie den Ort aufsuchen wollte, an dem sein Vater gestorben war, und sagte ihm nur, dass sie aus beruflichen Gründen verreisen müsse. Ihre Freundin Clara, Bens Mutter, unterstützte sie bei dieser Notlüge, was Susans Gewissen erheblich erleichterte.
    Susan war schon einmal in Moskau gewesen, kurz nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, anlässlich eines Neurologen-Kongresses, doch sie hatte nicht die Zeit gehabt, sich außerhalb des Stadtzentrums umzusehen. Diesmal erwartete sie, nicht einmal über den Flughafen Scheremetjewo hinauszukommen, zu dem sie einen Direktflug vom JFK aus nahm. Frank Henty hatte sich mit der Fluglinie in Verbindung gesetzt und diese gebeten, aufgrund der besonderen tragischen Umstände Susans Platz in der Economy-Class gegen einen in der Business-Class zu tauschen. Am Ende war es dann sogar ein Flug erster Klasse, was ihr wenigstens für einige Stunden einen einigermaßen erholsamen Schlaf erlaubte. Laut Flugplan hatte sie in Moskau-Scheremetjewo einen dreistündigen Aufenthalt, bevor ihre Aeroflot-Maschine nach Norilsk startete, ein Flug über eine Distanz von über viertausend Kilometern. Sie war jedoch gewarnt worden, dass sie mit Verspätungen von sechs Stunden und mehr zu rechnen hatte. Immerhin war sie in Russland.
    Sie hoffte nur, dass der Führer, den die Agentur ihr versprochen hatte, tatsächlich in Moskau-Scheremetjewo auftauchen würde. Man hatte ihr gesagt, sie solle sich am Transfer-Schalter melden. Doch bereits kurz vor dem Landeanflug teilte ihr eine Stewardess mit, dass jemand sie am Ausgang erwarten und durch die Passkontrolle begleiten würde. So weit, so gut.
    »Dr. Flemyng? Ich bin Irina Lomova. Alle nennen mich Ika. Ich hoffe, das tun Sie auch.«
    Die Frau, die Susan mit einem herzlichen Händedruck begrüßte, war etwa dreißig und sprach ein ausgezeichnetes, fast akzentfreies Englisch. Sie hatte dichtes blondes Haar, das sie streng nach hinten gebunden hatte, um ein Gesicht zu betonen, dessen Züge ein wenig grob, aber attraktiv und offen wirkten. Es war eines jener Gesichter, dachte Susan, die einem mit der Zeit immer sympathischer wurden.
    »Susan«, stellte sie sich vor. »So nennt mich jeder. Also, Ika, verraten Sie mir, wie lange wir werden warten müssen.«
    Ika verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln und winkte kurz ab. »Die gute Nachricht ist, dass es offiziell immer noch drei Stunden sind. Die schlechte ist, dass die Instandhaltung einen Tankwagen vermisst – möglicherweise gestohlen –, was eine Verzögerung für wer weiß wie lange bedeuten könnte.« Während sie sprach, zuckte sie mit den Schultern, eine Geste, die tief aus ihrem Innern zu kommen schien: eine typisch russische Reaktion auf eine typisch russische Situation, dachte Susan.
    Die Wartezeit war nur deshalb erträglich, weil Ika dafür gesorgt hatte, dass sie diese in der Erste-Klasse-Lounge der US-Fluglinie verbringen konnten, mit der Susan nach Moskau gereist war. Ika riet Susan, so viele Sandwichs, Früchte und Kekse zu essen, wie sie nur konnte, denn auf dem Fünfeinhalb-Stunden-Flug nach Norilsk würde es nicht mehr viel geben – wann immer es auch losgehen mochte.
    Susan fand heraus, dass Ika geholfen hatte, Johns Reise zu organisieren. In der Stimme der Russin lag echte Anteilnahme, als sie sagte, wie geschockt und traurig sie gewesen sei, als sie von dem schrecklichen Unfall hörte. Die Ursache sei noch immer nicht ermittelt worden, und vielleicht würde es auch nie gelingen: So etwas war in Russland schwierig. Es hatte sich um eine Chartermaschine gehandelt, bestens gewartet und von einem guten Piloten gesteuert. Die Untersuchung war offiziell noch im Gange, viel Hoffnung auf Ergebnisse gab es jedoch nicht. Susan nickte, dankbar für die freundlichen Worte der Russin, erzählte ihr aber nichts von dem dunklen Verdacht, der sie hierher geführt hatte. Nur die Zeit würde zeigen, ob Ika jemand war, dem sie vertrauen konnte.
    Letztendlich betrug die Verspätung nur etwas mehr als vier Stunden, obwohl ihr eine weitere vierzigminütige Verzögerung auf dem Rollfeld folgte. Ika meinte, dass sie noch Glück hätten, da sie damit leicht unter dem üblichen Durchschnitt lägen. Das Flugzeug selbst löste bei Susan einen regelrechten Schock aus. Die Sitze schienen für Zwerge gemacht, und beinahe die Hälfte davon

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