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Epsilon

Epsilon

Titel: Epsilon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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Schläge von seinen eigenen Bewegungen aufgefangen und abgeschwächt wurden. Er wartete, bis der richtige Augenblick gekommen war, bis die Frustration bei seinem Gegner immer größer wurde – und versetzte ihm dann einen gewaltigen Schlag seitlich gegen den Kopf.
    Das Affenmännchen stieß einen Schrei aus, mehr aus Überraschung denn vor Schmerz, und taumelte rückwärts. Charlie wartete, bis es den Schock überwunden hatte, sicher, dass er, was immer auch kommen mochte, bewältigen konnte, ja, es vielleicht sogar genießen würde. Als sein Gegner sich mit gebleckten Zähnen auf ihn stürzte, wusste Charlie, dass er das Männchen bis zur Weißglut gereizt hatte. Das machte es ihm leicht, sich zur Seite zu schwingen und dem vorbeistürzenden Angreifer einen heftigen Schlag gegen den Hinterkopf zu versetzen. Er traf zwar nicht genau die Stelle, die er anvisiert hatte, doch der Affe ging trotzdem zu Boden. Er war geschockt und außer Atem, und es dauerte eine Weile, bis er sich wieder aufgerappelt hatte. Charlie wartete geduldig und schickte ihn wieder zu Boden. Diesmal blieb das Männchen bewusstlos liegen.
    Charlie blickte in die entsetzten und verängstigten Gesichter, die ihn umgaben. Der Schrei, der sich seiner Kehle entrang, war rau und herausfordernd. Er wollte sagen: »Habt ihr gesehen? Reicht das jetzt? Können wir in Zukunft auf so was verzichten?« Es war noch immer ein seltsames Gefühl, die Worte in seinem Kopf zu hören, während er nach wie vor nicht dazu in der Lage war, sie auch hervorzubringen.
    Als er verstummte, geschah zuerst gar nichts. Er hörte Geheul und Gemurmel, doch nichts, das wie eine direkte Antwort auf Charlies Herausforderung klang. Der Schimpanse, den er bewusstlos geschlagen hatte, rührte sich; zwei oder drei der anderen näherten sich ihm besorgt.
    Charlie spürte die Bewegung, konnte sich aber nicht mehr rechtzeitig abwenden, bevor die Zähne sich in seine Flanke bohrten. Auf solche Schnelligkeit war er nicht gefasst gewesen, aber er machte sie mit seiner eigenen wieder wett. Er drehte seinem nächsten Gegner den Arm auf den Rücken und trat ihn, bis dieser den Boden unter den Füßen verlor. Der Schimpanse schrie vor Schmerz und wollte sich aus dem Griff winden, doch Charlie ließ ihn erst los, als einige der anderen Männchen ihn von hinten mit Bissen und Schlägen angriffen. Sie wussten zwar nicht, wie man kämpft, aber Charlie war gezwungen, sich umzudrehen und sie zu verscheuchen. Und so kam sein Gegner frei. Charlie sah, wie er eine große Eiche hinaufkletterte. An diesem besonderen Baum war kein einziges grünes Blatt mehr, ständiger Gebrauch hatte ihn in ein natürliches Klettergerüst verwandelt.
    Ganz in der Nähe standen noch einige ähnliche Bäume. Der übrige Baumbestand war, wie Charlie jetzt erst bemerkte, durch elektrische Zäune geschützt.
    Hastig kletterte er auf einen der anderen beiden entlaubten Bäume. Der Rest der Gruppe blieb unten am Boden und starrte zu den beiden hinauf, die sich von benachbarten Ästen aus Drohgebärden zuwarfen. Schließlich war es Charlie, der den ersten Schritt unternahm und lossprang; er begann sich zu langweilen und wollte diese Farce endlich beenden. Charlie spürte, dass ihn der ganze Kampf seltsam unbeteiligt ließ, fast als wäre er gar nicht wirklich anwesend. Plötzlich durchzuckte ihn der Gedanke, dass er vielleicht eine Figur in einem Computerspiel sein könnte. Und dann fragte er sich, wer wohl seine Figur lenkte und wer die des anderen Schimpansen. Oder spielte vielleicht er selbst beide Parteien? War das eine Art Feedback-Spiel?
    Der Schmerz, der ihn eine Sekunde später durchzuckte, rief ihn in die Gegenwart zurück. Charlie hatte einen empfindlichen Tritt in den Magen eingesteckt. Er hatte den Schlag nicht kommen sehen, ja, er hatte nicht einmal den zweiten Schimpansen auf den Baum klettern sehen. Unaufmerksamkeit, schon wieder! Das war etwas, worauf er in diesem Spiel auf jeden Fall Acht zu geben hatte. Er durfte seine Gedanken nicht abschweifen lassen, musste unnötiges Reflektieren vermeiden. Was zählte, war der Augenblick. Und um diesen zu meistern, durfte er nicht zu sehr darüber nachgrübeln, was das alles zu bedeuten hatte – falls es überhaupt etwas bedeutete.
    Charlie sprang auf die dritte Eiche hinüber, die durch den täglichen Gebrauch ganz kahl und glatt geworden war. Dieses Ausweichmanöver verschaffte ihm Zeit, sich zu sammeln und wieder zu Atem zu kommen. Dann spielte der erste seiner beiden

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