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ePub: Ashes, Ashes

ePub: Ashes, Ashes

Titel: ePub: Ashes, Ashes
Autoren: Jo Treggiari
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nachzudenken, was sie gerade hinuntergeschluckt hatte, bis sie sicher sein konnte, dass es ihr nicht wieder hochkam. Stattdessen wanderten ihre Gedanken zu Aidan. Lucy war überzeugt, dass sie ihn aus tiefstem Herzen ablehnte, sein Gehabe, seine nervige, selbstbewusste Art. Das Feuer fauchte und zischte und brachte kleine Flammenzungen hervor, die hier und da feine Rauchwölkchen ausstießen, als wenn ein kleiner Drache in ihnen wohnte. Das schattenhafte Flimmern des Regens, das sie jenseits der Wände erahnen konnte, erinnerte sie an Schnee auf dem Fernsehbildschirm. Lucy schlief ein, im Sitzen, die Jacke fest um sich geschlungen und umhüllt vom tröstlichen Geruch getragenen Leders.
    Im Traum sah sie Hunde durch einen See schwimmen. Ihr Fell war dunkel und das Wasser perlte daran ab wie bei Robben. Sie kesselten das kleine Boot ein, in dem Lucy saß, und schoben es an Land. Irgendetwas verbarg sich im tiefen Schwarz ihrer Felle, das Lucy beängstigte. War Aidan hier irgendwo? Lucy konnte ihn zwar hören, aber seine Stimme drang von überall auf sie ein, und sie konnte nicht sagen, woher sie kam. Es war zu dunkel, um ihn sehen zu können. Mit einem Mal war sie fest davon überzeugt, dass die Hunde sie nicht an das sichere Land, sondern auf das Wasser hinaus schoben.
    Ohne zu wissen, was sie aufgeschreckt hatte, kam Lucy urplötzlich zu sich und öffnete benommen ihre verklebten Augen. Der Unterschlupf war von einem sanften grauen Licht erfüllt. Alles war viel zu still. Erst nach einem kurzen Augenblick wurde Lucy klar, dass sich das Unwetter ausgetobt hatte und dass sie von der vollkommenen Stille geweckt worden war. Sie hörte nur, wie das Wasser leise die Wände ihres Unterschlupfs hinabrann, davon abgesehen aber herrschte eine tiefe, dumpfe Stille, als wenn sie den Kopf noch zwischen den Armen vergraben hätte oder noch schliefe. Es war geradezu unheimlich.
    Lucy stand auf, fuhr in ihre Stiefel, ohne sie zuzuschnüren, und schob den Tarnschild beiseite. Sie war wach – kein Zweifel. Ihre Stiefel waren feucht, das Leder steif. Es war noch vor der Morgendämmerung, Tropfen schimmerten an den Grashalmen, der Regen hatte aufgehört. Die Bäumeüber Lucys Kopf schüttelten sich, als striche ein Riese ihnen im Vorübergehen über die Wipfel, und Lucy bemerkte, dass das Dach ihres Unterschlupfs wie unter einer heftigen Brise wogte, obwohl nicht der geringste Hauch blies. Alles war so still und reglos, als sei die gesamte Welt von einem Moment auf den anderen erstarrt.
    Eilig lief Lucy zum Strand. Das feuchte Seegras schlug ihr gegen die Hände. Ihre Jeans war schon bis zum Knie durchnässt. Es war warm. Die Myriaden von Lauten, die sonst die Tiere ringsum beim Aufwachen erzeugten, fehlten. Keine Frösche, keine singenden Vögel, kein Rascheln von Feld- oder Wühlmäusen im hohen Gras. Jetzt ging die Sonne auf und erhellte die violette Kante des hinter ihr liegenden Horizonts. Lucy fühlte ihre Wärme im Nacken, zog die Lederjacke und ihren Schal aus und klemmte sich beides unter den Arm. Prüfend tastete sie nach dem Messer an ihrer Hüfte. Das Licht war anders als sonst. Es ließ alles so gestochen scharf erscheinen, dass es Lucy in den Augen schmerzte. Ihre Stiefel hatten im Sand nur wenig Halt und an ihren losen Schnürbändern klumpte der Matsch. Ein Geräusch wie das Plitsch-Platsch von Autoscheibenwischern bei einem Wolkenbruch drang an ihre Ohren, allerdings hundertfach verstärkt. Die vor ihr liegende Meeresoberfläche schien zu sieden wie heißes, geschmolzenes Silber. Lucy blieb stehen, kniff die Augen zusammen und beschirmte sie mit der Hand vor dem blendend hellen Licht. Es war nicht das erste Mal, dass sie das Meer im gleißenden Sonnenlicht sah, kurz bevor ein Sturm losbrach, wenn das Wasser aus Metallfäden gewoben erschienund der Himmel nahezu schwarz war. Aber dies hier war etwas anderes. Der Strand sah aus, als seien haufenweise schimmernde Münzen ausgestreut worden.
    Mit einem Mal realisierte Lucy, was es war: Fische, die am Strand lagen und zuckten, Tausende silberner Körper, die umhersprangen wie Tänzer. Die Ebbe stand so tief, dass sie nur die Fische und den braunen, zuckerartigen Sand sehen konnte. Das Wasser war abgeflossen, als ob jemand einen riesigen Badewannenstöpsel gezogen hätte. Weit, weit draußen lag das Meer, spiegelte die Sonnenstrahlen und warf Lichtreflexe. Es zog sich immer noch zurück, das Wasser lief ab wie bei einer rückwärtsgewandten Flut.
    Lucy fuhr herum und rannte
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