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ePub: Ashes, Ashes

ePub: Ashes, Ashes

Titel: ePub: Ashes, Ashes
Autoren: Jo Treggiari
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mitgenommen zu werden. Schnell schnappte sie sich noch eine halb volle Wasserflasche. Sie wusste nicht, ob sie einen sauberen Bach oder eine Quelle finden würde, um daraus zu trinken. Die Schnur mit Messer, Gabel und Löffel hing sie sich um den Hals. Ihr Herzschlag erschien ihr wie ein Countdown der letzten Sekunden. Fehlte noch etwas? Sie war schon fastdraußen, da fiel ihr plötzlich noch etwas ein. Sie rannte zu ihrem Schlafsack auf dem platt gedrückten Grashaufen, griff an die Wand und zog ihr Schuljahrbuch hervor. Sie presste es an ihre Brust, sah sich ein letztes Mal um, bückte sich und schlüpfte hinaus.
    Draußen hockte sie sich hin und band ihre Schnürbänder zu, was einen Moment dauerte. Schließlich brachte sie zwei Knoten zustande, die so fest waren, dass man sie wohl nie mehr aufbekam. Sie stopfte das Jahrbuch in den Rucksack und warf ihn sich wieder über die Schulter. Der Strand lag immer noch trocken, die Fische aus dieser Entfernung nur eine dünne Schicht zuckenden Silbers, und dahinter lag das tiefe Blau des Meeres mit dem Himmel darüber. Lucy musste nicht lange überlegen, welche Richtung sie einschlagen sollte. Westwärts lag das Meer. Osten und Süden führten ebenfalls ans Wasser. Nach Norden ging der Weg eine Anhöhe hinauf, vielleicht sogar bis auf den Great Hill. Dort konnte sie weiter entscheiden.
    Eine leise Stimme meldete sich in ihrem Kopf und erinnerte sie daran, dass Hell Gate, Aidans Camp, in derselben Richtung lag, aber sie brachte sie zum Schweigen. Vom Great Hill aus konnte sie ein paar Tage lang weiterwandern und, wenn sie wollte, die George-Washington-Brücke überqueren oder umkehren. Vielleicht konnte sie ja in ein, zwei Tagen wieder hierher kommen und manches retten oder neu aufbauen. Wenn sie nicht dorthin wollte, sagte sie sich, konnte sie Hell Gate ohne Weiteres links liegen lassen.
    Lucy folgte einem schmalen Weg. Es war ein matschiger,von scharfkantigen Hirschhufen ins Gras getretener Trampelpfad, über den die Tiere aus den Bergen zum Trinken an den See herunterkamen. Hinter dem Gebüsch stieg das Gelände unvermittelt steil an. Ohne ihr Tempo zu drosseln, lief Lucy hinauf. Bei jedem Schritt hüpfte ihr Rucksack in die Höhe. Sie hielt die Arme nach unten, um sich abfangen zu können, falls sie hinfiel. Der Untergrund wurde lockerer, Erdbrocken und kleine Steine lagen herum, Felsstücke tauchten auf und die Bäume standen nur noch vereinzelt. Ein Stein rollte unter ihren Füßen weg und brachte sie fast zu Fall. Lucy fing sich wieder und klammerte sich an dünnen Zweigen und Wurzeln fest, um das Gleichgewicht zu halten.
    Ein paar Hundert Meter weiter oben blieb sie stehen und holte Luft. Ihr geschwollener Knöchel war eine heiße, schmerzende Kugel. Ihr Hals war trocken, die Rippen taten ihr weh und ihre Finger waren zerkratzt und bluteten. Die Wunde in ihrer Hand war wieder aufgegangen und hatte eine Blutspur auf den Felsen hinterlassen. Der Gedanke, dass die Hunde jetzt kein Problem mehr hätten, sie aufzustöbern, durchzuckte sie kurz. Lucy fühlte, wie die Angst sie überkam, und sie versuchte, sie zu unterdrücken. In einer Monsterwelle zu ertrinken, hätte zumindest dieses Problem gelöst ...
    Als Nächstes lag ein Dickicht aus windgebeugten Tannen und Pinien vor ihr, die sich hartnäckig an den Hang klammerten. Und dahinter, wusste sie, erhob sich die kahle Felsspitze mit ihrer grauen Kuppe. Dort oben müsste sie sicher sein. Hinkend lief Lucy weiter, ihre Beinmuskeln zitterten vor Erschöpfung. Sie lief über Piniennadeln. Es roch angenehm nach Moos und das Licht zeichnete Flecken auf den Boden. Lucy blieb stehen, der Atem kam ihr stoßweise aus dem Hals. Mit schnellen, panischen Schlucken trank sie etwas Wasser aus ihrer Flasche. Unter den Kronen der Bäume fühlte sie sich normalerweise sicher, trotzdem trieb die Angst sie weiter. Sie hatte gerade das Ende des Wäldchens erreicht, als sie ein Brausen vernahm. Es klang wie ein Zug, der durch einen Tunnel fuhr. Es schien beängstigend nah.
    Lucy brach zwischen den Bäumen hervor, bahnte sich einen Weg zu einem Felsvorsprung und blickte nach unten. Vor ihr breitete sich das Panorama des trockenen Strands aus, der auf den ersten Blick friedlich dazuliegen schien. Ein, zwei Meilen unter ihr erstreckte sich die schmale Landzunge, auf der sie über ein Jahr gelebt hatte. Sie konnte ihren Unterschlupf erkennen, die grüne Halbkugel, die Grashügel, die schwarzen Stämme der salzgegerbten Bäume am Strand und den
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