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ePub: Ashes, Ashes

ePub: Ashes, Ashes

Titel: ePub: Ashes, Ashes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Treggiari
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komisch. Durch die Arbeit auf dem Feld war ihre Haut erneut mit einer Schweißschicht überzogen. Dazu kam der Geruch von Mist. Und Blut. Und trotzdem flirtete er.
    Henry legte sein Notizbuch beiseite und stützte sich auf den Tisch.
    »Und? War Grammalie Rose ein bisschen grob zu dir?«
    »Ja. Wegen diesem ...« Lucy korrigierte sich schnell. »Wegen Sammy.«
    »Na ja, als ich hierherkam und ihn zum ersten Mal gesehen habe, habe ich mich auch erschreckt. Aber dann merkt man schnell, dass es ganz normale Leute sind.«
    »Mag sein«, antwortete Lucy. »Wie viele S’ans gibt es hier denn?«
    »In unserer Siedlung drei. Aber außerhalb sind es noch mehr.« Er machte eine vage Geste mit der Hand.
    »Und sie helfen bei allen Arbeiten?« Lucy hatte Mühe, ganz normal zu klingen.
    Henry musterte sie kurz. »Ja, bei allem, nur nicht beim Kochen. Weil immer ein paar Teile von ihnen, Finger und so, in den Kochtopf gefallen sind. Darum haben wir damit aufgehört.«
    Lucy rang nach Atem, bemerkte dann aber das breite Grinsen, das sich über sein Gesicht zog. Sie wurde rot. Henry machte eine entschuldigende Geste mit der Hand.
    »Sorry – ich konnte gerade nicht anders. So abgedroschen es klingen mag«, fuhr er fort, »wir sind wie eine Familie. In manchen Fällen sogar wortwörtlich.«
    Lucy sah ihn fragend an.
    »Emi und Jack sind Geschwister.« Sein Gesicht verdüsterte sich, und Lucy erinnerte sich, dass dies die Namen der beiden Kinder waren, die von den Sweepern mitgenommen worden waren. »Und Sammy ist Aidans Bruder.«
    »Wie bitte?« Lucy war fassungslos. »Aber wie – wie kann das sein? Dass der eine krank geworden ist und der andere ...« Sie verstummte. Immerhin gab es in ihrer Familie auch eine Überlebende: sie.
    Henry hob eine Augenbraue, und Lucy hatte das Gefühl, dass er ihre Gedanken las. »Es gibt keine klare Antwort. Die meisten Leute, die krank geworden sind, sind gestorben. Sammy hatte einfach Glück, dass er am Leben geblieben ist.«
    Lucy nickte und versuchte, den Klumpen in ihrem Hals herunterzuschlucken.
    »Wenn man es genau nimmt, strafen Sammy und Aidan die Wahrscheinlichkeit lügen. Zwei Brüder aus einer Familie.«
    »Und Aidan – er ist überhaupt nicht krank geworden? Er hat keinerlei Narben – oder wie?«
    Henry verzog die Mundwinkel. »Zum zweiten Mal Glück gehabt, würde ich sagen. Von denen, die an den mutierten Blutpocken der zweiten Welle erkrankt sind, hat vielleicht einer von einer Million überlebt – obwohl es eine allgemeinePockenimpfung gab. Die meisten sind innerhalb von zweiundsiebzig Stunden gestorben. Das ist eine schlechte Statistik. Bei den normalen Pocken hat immerhin einer unter hunderttausend überlebt. Wenn man es also mal so betrachtet, dann sind wir, du und ich und überhaupt alle hier, vom Himmel gesegnet. Ein paar Narben hier und da vielleicht, aber kein Vergleich mit dem, was die S’ans zu ertragen haben. Aber du wirst ohnehin ganz schnell überhaupt keinen Unterschied mehr feststellen.« Er lächelte Lucy an, und sie konnte nicht anders als zurückzulächeln.
    »Woher weißt du so viel darüber?«
    »Ich habe früher ein paar Semester Medizin studiert.«
    »Und wie viele von denen, die nicht geimpft wurden, haben überlebt?«
    Henry sah Lucy verdutzt an. »Niemand und keiner. Null Komma null.« Er formte mit dem Daumen und dem Zeigefinger eine Null.
    »Nein, ernsthaft«, mahnte Lucy, bevor sie seinen Gesichtsausdruck registrierte. Das ironische Grinsen war verschwunden. Henry schüttelte den Kopf.
    »Das ist ja der Grund dafür, dass der Großteil der Toten Erwachsene zwischen dreißig und sechzig Jahren waren. Die Kinder und Jugendlichen sind verschont geblieben, weil ihre Impfungen noch relativ frisch oder erneuert waren.«
    Lucy nickte. Sie erinnerte sich an die Klagen ihrer Mitschüler, dass sie nach den ersten Fällen von Vogelgrippe eine ganze Flut von Nachimpfungen über sich hatten ergehen lassen müssen.
    »Und die älteren Menschen, wie Grammalie Rose zum Beispiel, sind während des Krieges mit Pocken in Kontakt gekommen. Alle anderen aber ... Fehlanzeige. Hundert Prozent Sterblichkeit.«
    Lucys Mund formte ein O . Ihre Hand schlich zu ihrer linken Schulter hinauf und zog den aufgekrempelten Ärmel so weit herunter, dass er ihren Oberarm bedeckte.
    Null. Fehlanzeige . Das machte Lucy zu einem noch größeren Freak als die S’ans. Sie erinnerte sich an die dicke Akte im Büro der Schulschwester. Die ungezählten Blutuntersuchungen. Was genau war an ihr

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