ePub: Ashes, Ashes
meinerLeute verletzt. Dann ist er aus dem Gebäude entkommen und in die Wildnis geflohen und wir konnten ihn nicht mehr finden.«
»Er ist tot«, sagte Lucy. Sie hatte einen bitteren Geschmack im Mund.
»Das tut mir wirklich sehr leid«, antwortete Dr. Lessing.
»Was ist mit Ihren Hunden? Sie machen Jagd auf Menschen!«, warf Aidan ein. Die Hand an seinem Bogen begann zu zittern. Mühsam hob er ihn auf Schulterhöhe. Die Sehne rieb über seine Wange, und Lucys Blick fiel auf den roten Striemen, der sich in Höhe der Kiefer auf seiner bleichen Haut abzeichnete.
»Die Hunde sind eine Such- und Rettungsstaffel. Sie sind dazu ausgebildet, nach einer Katastrophe Menschen aufzuspüren. Sie wittern das Blut. Es ist faszinierend, wirklich«, sagte die Ärztin und lächelte wieder. »Auch, welch feine Unterschiede sie herausriechen können.«
Lucy schüttelte den Kopf. Sie war zu erschöpft, um dahinterzukommen, was von all dem wahr und was gelogen war. Diese Frau wusste auf alles eine Antwort. Sie sprach ruhig und ernst. Und sie sah aus wie jemand, dem man vertrauen kann.
»Allzu viel Wahl hast du nicht, Lucy. Letzten Endes sind wir dir überlegen.« Auch dies sagte sie wieder mit einem provozierenden Lächeln, das ihre strahlend weißen Zähne sehen ließ.
»Wenn ich mitkomme – was wird dann aus den anderen?«
»Delfina kann heimgehen. Und Aidan wird untersucht, wieich schon sagte. Wir werden ihn gründlich durchchecken. Die Vorstellung, dass die Epidemie in eurem Camp ausbrechen könnte, ist mir ein Gräuel, bei all den Kindern, die dort sind. Es wäre wirklich eine Tragödie!«
Lucy zögerte. Was die Ärztin sagte, klang durchaus berechtigt. Lebte Lucy nicht in der Angst, selbst Überträgerin zu sein?
Dr. Lessing nickte Simmons zu. Die Sweeper zogen sich noch ein paar Schritte weiter zurück und senkten ihre Elektroschocker.
»Ich möchte einfach mit dir sprechen«, sagte Dr. Lessing. »Du bist ein sehr außergewöhnliches Mädchen.«
»Was wollen Sie damit sagen?«, entgegnete Lucy. Mit einem Mal wurde sie nervös. Wusste man hier vielleicht, dass sie nicht geimpft worden war?
»Ich weiß alles über dich«, antwortete die Ärztin. »Dass du die Epidemie überlebt hast.«
»Kann ich jetzt endlich die Kinder sehen?«, schaltete Del sich ein. Ihre abgekauten Nägel sahen schlimm aus, die Nagelbetten waren eingerissen und entzündet.
»Aber selbstverständlich«, antwortete Dr. Lessing. »Du kennst doch den Weg, meine Liebe. Deine Freunde kommen später nach. Emi und Jack sind ein Stockwerk tiefer. Sie werden sich freuen, dich zu sehen! Seit sechs Uhr gestern Abend warten sie auf dich und sind ganz aufgeregt!« Sie lachte wieder. »Kelly, würdest du Delfina bitte helfen und sie begleiten?«
Die blonde Sweeperin trat vor. Sie kam ziemlich nah anLucy vorbei, und wieder hatte Lucy das Gefühl, dass die Frau sie hinter ihrem dunklen Visier ansah.
»Del, nicht Delfina«, knurrte Del. »Sie sind verdammt noch mal nicht meine Mutter!« Sie warf Aidan einen letzten, flehenden Blick zu, der darauf allerdings nicht reagierte, dann lief sie die Treppe hinab. Man hörte sie nach Luft schnappen, als sie kurz stolperte, dann erklang im unteren Stockwerk das Klicken einer Tür, die geöffnet und wieder geschlossen wurde. Kelly folgte deutlich langsamer.
Eigentlich wollte sich Lucy nicht von Aidan trennen lassen, aber als Dr. Lessing sie zu zwei nebeneinanderliegenden Räumen führte, war es wohl aussichtslos, weiter darauf zu beharren. »Simmons ist einer der beiden medizinisch-technischen Notfallassistenten meines Teams. Kelly ist der andere«, sagte sie und öffnete die erste Tür. Im Inneren eines kleinen Raumes befanden sich eine Untersuchungsliege, ein Infusionsständer, Schränke und ein Sessel. »Er wird sich um Aidans Arm kümmern. Oder sind es die Rippen?«
»Ich habe mir die Schulter verrenkt. Mag aber auch sein, dass es eine Muskelzerrung ist«, antwortete Aidan und öffnete und schloss seine Faust. Schmerz verzerrte für einen Augenblick sein Gesicht.
»Simmons wird dir helfen. Wenn du ein paar Tests über dich ergehen lässt.« Dr. Lessing sah Aidan fest in die Augen. »Klingt das nicht annehmbar? Es wird nicht lange dauern, und danach kannst du auf einen Kaffee zu uns kommen, wenn du möchtest. Oder ich lasse dir eine Tasse hinüberbringen.«
Aidan nickte.
»Besser, du kommst zu uns«, fuhr die Ärztin fort. »Ich lasse die Tür zu meinem Büro offen.«
Aidan warf Lucy ein aufmunterndes Lächeln
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