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ePub: Ashes, Ashes

ePub: Ashes, Ashes

Titel: ePub: Ashes, Ashes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Treggiari
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spurlos verschwunden waren – abgesehen von Del, der irgendwie die Flucht gelungen war, und von Leo, der letztendlich ermordet worden war. Sie versuchte das trockene Gefühl in ihrem Hals herunterzuschlucken. Aidan sah sich nach ihr um und lächelte. Lucy nahm den Speer in die linke Hand und wechselte ihn gleich wieder zurück in die rechte.
    Die Hand auf dem Geländer, musste sie sich zwingen, vorwärts zu gehen. Der Nebel wogte wie ein Netz um ihre Füße. Er erinnerte sie an einen Albtraum, in dem sie in Klebstoff oder Treibsand gefangen war und sich nicht mehr befreien konnte. Sie blickte zurück. Das kleine Wäldchen lag im Dunkeln. Die salzkranken Pinien sahen aus wie skelettierte Finger. Das Watt war so uneben und hügelig wie die Oberfläche des Mondes, und doch wäre sie lieber wieder dort gewesen, als über diese Brücke zu laufen, mit dem zwar gedämpften, aber in der Stille laut erscheinenden Klang ihrer Schritte. Die Luft hatte etwas, das einem kaum merklich den Atem abschnürte. Sie war schwer und feucht, und sie erstickte Lucy wie eine Schicht Decken, die man ihr auf den Kopf gedrückt hatte.
    Del war an der Stelle stehen geblieben, wo sich die Brücke zum Inselufer hin neigte. Als Lucy und Aidan nur noch wenige Schritte hinter ihr waren, drehte sie sich nach ihnen um, kniff die Augen zusammen und wandte sich dann gleich wieder ab. Sie hatte die Arme um ihren Oberkörpergeschlungen, als wenn sie fröre oder Schmerzen hätte. Sie machte keine Anstalten weiterzugehen.
    »Warum bleibst du stehen?«, flüsterte Lucy.
    Del antwortete nicht.
    In diesem Moment hörte Lucy von vorn das Brummen einer Maschine. Es war wie ein Vibrieren und sie spürte es durch ihre Schuhsohlen hindurch.
    »Der Generator«, sagte Del.
    »Liegt der Notausgang links oder rechts vom Haupteingang?«, wollte Aidan wissen.
    Del zog die Schultern hoch. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und war leichenblass. Bevor Lucy etwas sagen konnte, lief Del zum Geländer auf der anderen Seite der Brücke, lehnte sich darüber und übergab sich.
    Aidan wartete, bis es vorüber war. Dann ging er mit der Wasserflasche zu Del, reichte sie ihr und blieb schweigend bei ihr stehen, während sie trank und sich etwas Wasser ins Gesicht spritzte. Dann atmete sie tief ein.
    »Alles okay?«, erkundigte sich Lucy. Aidan schüttelte den Kopf und bedeutete ihr, still zu sein.
    »Rechts oder links?«, fragte er Del erneut. Sie starrte ihn mit leerem Gesichtsausdruck an und biss sich auf die Unterlippe. Ihre Hand war in ihrem Gesicht wie festgefroren und ihre Finger zitterten.
    »Rechts«, sagte sie schließlich und rannte so schnell los, dass ihr die Kapuze vom Kopf geweht wurde.
    Aidan und Lucy tauschten einen besorgten Blick, dann folgten sie ihr.
    Ihre Schritte hallten laut auf dem Beton. Mit erhobenem Kopf und ohne den geringsten Versuch, unerkannt zu bleiben, lief Del voraus. Schnurstracks überquerte sie den Parkplatz, ihren Schatten vor sich auf dem Boden. Lucy griff in ihre Jackentasche und löste ihr Messer aus der Scheide. Ihre Augen waren überall, hielten Ausschau nach dem Aufflackern eines Lichts oder einer Bewegung. Sie war darauf gefasst, jeden Moment die Sweeper in ihren weißen Anzügen oder die Hunde wie Horrorgestalten auf sich zurennen zu sehen. Sie fühlte, wie sich in ihrem Nacken etwas Feuchtes breitmachte. Nur weil Aidan bei ihr war, fand sie den Mut weiterzulaufen.
    Sie überquerten die Wiese und tauchten im riesigen Schatten des Gebäudes unter. Eine Gitterlampe warf ein schwaches Licht; Mücken und Nachtfalter flogen gelegentlich dagegen und verbrannten mit leisem Knacken am heißen Glas. Unmittelbar darunter befand sich der Notausgang des Turms: eine unauffällige Stahltür mit einem silberfarbenen Knauf und einem Schlüsselloch. Del knurrte irgendetwas. Lucy beobachtete, wie sie den Knauf fasste und drehte. Ein Klicken erklang und die Tür ging auf.
    Im Inneren leuchtete ein einsames Licht. Eine nackte Glühbirne hing von der Decke. Sie flackerte und gab hier und da ein leises Summen von sich, wie auch die Lampen draußen. Eine Treppe wand sich spindelförmig wie eine Meeresschnecke in die Höhe. Lucy registrierte den Geruch von Jodlösung und einem starken Reinigungsmittel.
    »Wir müssen drei oder vier Stockwerke hoch«, flüsterte Del und ging voran. Lucy und Aidan folgten ihr die Treppe hoch.Ihre Schritte hallten. Das Licht unten schrumpfte zusammen und ging flackernd aus. Lucys Atem rauschte so laut wie der Ozean. Die

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