ePub: Der letzte Zauberlehrling
ermordet, und den oder die Täter hat man nie gefunden.«
»Und warum haben Samiras Eltern sich gerade an Sie gewandt?«, fragte ich.
»Du meinst, warum haben sie sich einen grantigen, trunksüchtigen, kinderlosen Zauberer ohne Geld ausgesucht?« Ein bitteres Lächeln huschte über das Gesicht des Alten. »Die Antwort ist einfach. Samiras Eltern waren ebenfalls Zauberer Erster Klasse, und sie wussten, ihrer Tochter drohte von denselben Leuten Gefahr, die auch sie bedrohten.«
»Aber wer bedroht ein kleines Kind?«
»Samira ist kein normales Kind.« Er senkte die Stimme, obwohl weit und breit niemand zu sehen war, der etwas hätte hören können. »Sie ist ein direkter Nachkomme von Mirren dem Großen.«
Er warf den Kieselstein mit einer schnellen Bewegung ins Meer. Er hüpfte mindestens zehn Mal auf der Wasseroberfläche auf, bevor er versank. »Was steht in Chateaubriands Geschichte der Zauberei in Frankreich über die Nachkommen Mirrens?«, fragte er mich unvermittelt.
Ich kramte in meinem Gedächtnis. Das Buch hatte ich inmeinem ersten Lehrjahr bei Gordius gelesen, und das war schon eine Weile her. »Sie sollen den Schlüssel besitzen«, sagte ich schließlich.
»Richtig! Und weißt du auch, was sich hinter diesem Begriff verbirgt?«
»Angeblich besitzen die direkten Nachkommen Mirrens eine besondere Gabe, dank derer sie in der Lage sein sollen, verborgene Zauberkräfte aufzuspüren und zu nutzen.«
»Ganz recht. Und über diese Gabe verfügt auch Samira. Es würde zu weit führen, dir hier alle Einzelheiten zu erklären. Merk dir nur eins: Sie ist nicht das, was sie zu sein scheint.«
Mit dieser rätselhaften Bemerkung erhob der Alte sich und beendete das Thema. »So«, sagte er, »dann sollten wir jetzt gemeinsam einen Zauber üben, den ich mir für den Fall ausgedacht habe, dass wir es tatsächlich bis zum Überzauber schaffen.«
»Sie meinen, einen Zauber zur Veränderung des Magnetfeldes?«
»Genau. Und weil dafür selbst meine Kräfte nicht ausreichen, benötige ich Unterstützung. Du hast deine Fähigkeiten bereits bewiesen. Meiner Meinung nach sind sie weitaus ausgereifter als bei anderen Lehrlingen deines Jahrgangs.«
»Und Sie glauben, wir beide haben eine Chance?«
»Ich bin zu alt, um noch etwas zu glauben«, erwiderte er. »Ich tue das, von dem ich denke, dass ich es tun muss. Ob es Erfolg hat oder nicht, darüber mache ich mir keine Gedanken mehr.«
»Ich schon«, bemerkte ich.
»Das solltest du auch. Immerhin liegt dein Leben noch vor dir.«
Ich verstand ihn nicht. Was wollte er damit sagen? Hatten wir mit seinem Zauber nun eine Erfolgsaussicht oder nicht? Er mochte nicht darüber nachdenken, ich schon. Und ich wollte eine Antwort auf meine Frage.
Prometheus seufzte. »Na schön, Bursche. Ich denke, du hast das Recht auf eine ehrliche Antwort. Nein, ich glaube nicht, dass wir etwas ausrichten können gegen Pompignacs Überzauber. Ich nicht, du nicht und auch nicht wir beide zusammen. Vielleicht könnte es gelingen, wenn uns der Dämon unterstützen würde, aber daran habe ich meine Zweifel.«
Die hatte ich auch. »Was wäre denn, wenn er uns helfen würde?«
»Dann hätten wir vielleicht eine Chance. Er wird es allerdings nicht machen. Was hätte er davon?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Bei Lothar weiß man nie.«
Der Alte schüttelte den Kopf. »Er ist ein Dämon. Er wird sich nicht für uns ins Zeug legen, es sei denn, er verspricht sich davon einen Vorteil. Und den kann ich nicht sehen.«
»Und was ist mit Moriarty?«
»Ich weiß nicht, was er kann, und solange mir diese Information fehlt, kann ich zu ihm nichts sagen. Bislang habe ich von ihm nur Taschenspielertricks gesehen.«
Jetzt war es an mir zu seufzen. Es schien tatsächlich so, als seien unsere Erfolgsaussichten verschwindend gering. »Und was ist mit den anderen Zauberern?«, fragte ich. »Sie hatten doch berichtet, dass Sie mit ihnen kommunizieren werden, wenn es so weit ist.«
»So etwas ist zuvor noch nie ausprobiert worden, ebenso wenig wie ein Überzauber. Es kann also sein, dass es nichtfunktioniert und wir beide auf uns allein gestellt sind.« Er stand auf. »Deshalb sollten wir jetzt die neuen Zaubersprüche einüben, die ich entwickelt habe, damit es wenigstens zwischen uns klappt.«
Als wir nach einigen Stunden des Übens zum Schuppen zurückkehrten, traf auch Papillon gerade von seinem Erkundungsausflug ein. »Alle Straßen, die in die Stadt führen, werden kontrolliert«, berichtete er.
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