ePub: Der letzte Zauberlehrling
einem kleinen Spaziergang aufgerafft hatte. Ihre Augen leuchteten auf. Sie trat zum Tisch und warf mir einen fragenden Blick zu.
»Nur zu«, lächelte ich sie an.
Vorsichtig streckte sie ihm die Hand entgegen. Horatio schnupperte daran und kletterte auf ihre Handfläche. Schützend legte sie die andere Hand über ihn und hob ihn vor ihr Gesicht. Ihre sonst immer so ernsten Züge lösten sich, und ich sah sie zum ersten Mal, seitdem ich sie kannte, lächeln.
»Du kannst ihn gerne ein wenig mitnehmen, wenn du möchtest«, sagte ich. Sie nickte dankbar, setzte Horatio auf ihre Schulter und verließ den Raum. Ich folgte ihr.
Nach dem Mittagessen fuhr ich mit meiner Arbeit fort. Zu meiner eigenen Überraschung gelang es mir tatsächlich, einen Großteil der Pulver und Tinkturen zu identifizieren, zum einen, indem ich daran roch oder schmeckte, zum anderen, indem ich in den inzwischen einigermaßen geordneten Büchern nachschlug. Die Gläser und Röhrchen, deren Inhalt ich nicht eindeutig zuordnen konnte, stellte ich zunächst in einer Ecke des Tisches zusammen.
Es dauerte allerdings noch einen weiteren Tag, bis ich die Instrumente gesäubert und den Dreck vom Tisch und den Regalen entfernt hatte. Samira hatte mir ein paar Putzmittel hingestellt und sich bei der Gelegenheit auch wieder Horatio ausgeliehen, der sich bei ihr recht wohlzufühlen schien.
Am Morgen des dritten Tages präsentierte ich Prometheus, der seit unserer Auseinandersetzung kaum ein Wort mit mir gewechselt hatte, das Ergebnis meiner Arbeit. Er brummte zufrieden. »Nicht übel, Bursche. Vielleicht wird aus dir ja doch noch einmal ein ordentlicher Zauberlehrling.«
Ich verkniff mir eine Antwort. »Und was soll ich als Nächstes machen?«, fragte ich.
»Nun, wir könnten mit einem einfachen Zauber beginnen. Hast du schon mal Regen gemacht?«
Ich schüttelte den Kopf. Er nahm eines der Glasfläschchen vom Tisch und steckte es ein. Es war eine der Mischungen, die ich nicht hatte identifizieren können. »Komm mit«, sagte er. Ich folgte ihm die Treppe hinunter in den großen Raum, wo er mich zu der Platte mit der Modelleisenbahn führte.
Prometheus zog das Fläschchen hervor, entkorkte es und nahm mit Daumen und Zeigefinger eine Prise des Pulvers heraus, das darin enthalten war. Er stellte die Flasche ab, hob beide Arme und begann, einen Zauber zu brummen, während er das Pulver langsam herabrieseln ließ. Wie durch ein Wunder bildete sich unter seinen Händen eine kleine graue Wolke, aus der einige Regentropfen auf die Modelllandschaft darunter fielen.
»Hast du das mitgekriegt?«, fragte er.
»Gesehen ja, aber nicht verstanden«, erwiderte ich.
»Nun, verstehen wirst du es erst, wenn du es selbst kannst. Du findest alle notwendigen Informationen in den Klassischen Kleinzaubern von Tremonius.« Er steckte das Glasfläschchen wieder ein.
»Brauche ich das nicht?«, fragte ich.
Er lachte meckernd. »Doch, aber du wirst es gefälligst selbst anfertigen, Bursche. Sonst wäre es ja keine große Kunst.« Er schlurfte zum Tisch zurück und vertiefte sich in ein Buch.
Seufzend stieg ich zurück in die Zauberkammer und suchte nach dem Buch, das er mir genannt hatte. Das Werk vonTremonius hatte auch in der kleinen Bibliothek von Gordius gestanden. Der Autor mochte vielleicht ein großer Zauberer sein, aber er war gewiss ein großer Schwadroneur, der die einfachsten Sachverhalte mit schwer verständlichen Begriffen verkomplizierte. Es dauerte bis zum Nachmittag, dann hatte ich endlich ein Gemisch hergestellt, mit dem der Regenzauber funktionieren sollte. Ich füllte es in eine kleine Papiertüte und begab mich wieder zu der Modelleisenbahn. Diese kleine Welt war offenbar das Übungsgelände für Zauber.
Prometheus und Samira waren in die Stadt gegangen. Samira hatte Horatio mitnehmen wollen und ich hatte keine Einwände gehabt. So konnte ich wenigstens in Ruhe üben. Lediglich das Werhörnchen drückte sich irgendwo im Raum herum. Wir hatten kein Wort mehr miteinander gewechselt, seitdem uns Prometheus einander vorgestellt hatte, und ich hatte den Eindruck, Lothar ging mir aus dem Weg. Warum, das war mir nicht klar, aber es war mir egal. Ich traute ihm nach wie vor nicht, und außerdem roch er irgendwie unangenehm. Ich fragte mich, ob die anderen das nicht bemerkten oder ob es ihnen einfach nichts ausmachte.
Ich trat vor die Platte, nahm ein wenig Pulver aus der Tüte und begann mit meinem Zauber.
E RSTER M ONOLOG DES D ÄMONS T HRLX, DER UNTER DEM N
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