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ePub: Der letzte Zauberlehrling

ePub: Der letzte Zauberlehrling

Titel: ePub: Der letzte Zauberlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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AMEN L OTHAR BEKANNT IST
    Der Junge war mir sofort aufgefallen. Die Art, wie er den Kopf in den Nacken legte und mit weit geöffneten Nasenflügeln nach einem Duft schnupperte, den er nur geahnt, aber nicht wirklich wahrgenommen haben konnte, wies ihn als ein Naturtalent aus.
    Allerdings schien er sich seiner Fähigkeit nicht bewusst zu sein, denn nach einem irritierten Blick in die Runde vergaß er seine kurze Sinneswahrnehmung wieder und wandte sich dem Geschehen um Prometheus zu.
    Es wunderte mich, dass er mich überhaupt hatte riechen können. In meiner jetzigen Gestalt hatte ich die meisten meiner dämonischen Eigenschaften verloren, inklusive des typischen Geruchs, der uns üblicherweise anhaftet. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung hat er nichts mit Schwefel zu tun, sondern ist ein ganz natürliches Produkt unseres speziellen Stoffwechsels. Ich würde ihn als eine Mischung aus Anis, Koriander, Kamille und Hering bezeichnen. Sicher eine ungewöhnliche Kombination, aber gewiss nicht der »infernalische Gestank«, der uns Dämonen gerne angedichtet wird.
    Dabei ist das nur eines der vielen Vorurteile, welche die Menschen uns gegenüber hegen, allesamt in die Welt gesetzt von verantwortungslosen Schriftstellern und Theaterautoren,die einen Dämon nicht von einer Sumpfkröte unterscheiden könnten (wobei ich einräumen muss, dass die Sumpfkröte für ein menschliches Auge wahrscheinlich schöner anzusehen ist als unsereins).
    Wie man merkt, spreche ich aus Erfahrung. Allerdings aus einer, die mehr als dreitausend Jahre zurückliegt. Denn so viel Zeit ist seit meiner Verbannung in diese lächerliche Gestalt vergangen, die ich heute darstelle. Zudem besaßen meine Peiniger die Großmut, mich anstatt in einen Menschen in das einzige Werhörnchen zu verwandeln, das es jemals auf diesem Planeten gegeben hat und geben wird. Sie ahnten wohl, wie erniedrigend es für mich sein musste, als großer Geist in einem solch winzigen und hässlichen Körper dahinzuvegetieren.
    Die Verbannung zu den Menschen ist bei uns die härteste nur denkbare Strafe. Ihre wissenschaftliche Entwicklungsstufe entspricht der unserer Grundschüler, ganz zu schweigen von ihren emotionalen Verwirrungen. Wir hätten ihre Welt schon vor vielen Jahrtausenden leicht kolonisieren können, wenn ich nicht in diese unglückliche Angelegenheit verwickelt worden wäre. Aber unter ihnen leben zu müssen und jeden Tag mit ihrem primitiven Geist konfrontiert zu werden, das hat bereits andere vor mir in den Wahnsinn getrieben.
    Wegen seiner Fähigkeit, mich zu riechen, fand ich den Jungen so interessant, auch wenn er auf mich zunächst einen etwas dümmlichen Eindruck machte (was ihn allerdings nur wenig von den meisten Menschen unterschied). Ich war ziemlich überrascht, dass er sich freiwillig für eine Lehre beim alten Prometheus gemeldet hatte. Zuerst dachte ich, er hätte michdoch gerochen und habe sich um die Stelle beworben, um näher an mich heranzukommen. Denn meistens sind Dämonenriecher auch besessene Dämonentöter. Diese Erfahrung habe ich in meiner Zeit auf der Erde leider schon mehrfach machen müssen.
    Aus diesem Grund hielt ich mich möglichst fern von ihm und verkroch mich meistens hinter dem gusseisernen Ofen, denn schwere Metalle schützen uns vor Entdeckung. Nachdem allerdings klar war, dass der Junge bleiben würde, war mein Versteckspiel sinnlos geworden. Ich konnte mich schließlich nicht rund um die Uhr vor ihm verbergen. Von Prometheus hatte ich keine Hilfe zu erwarten, denn er wusste nichts von meiner dämonischen Essenz, und ich war mir sicher, er würde auch nicht besonders erfreut reagieren, sollte ich ihn darüber informieren.
    Also blieb mir als einzige Möglichkeit die Hoffnung, dass der Junge nicht erkannte, welche Nachricht ihm sein etwas überdimensioniertes Riechorgan übermitteln wollte. Zugleich empfand ich eine merkwürdige Verbundenheit mit ihm; vielleicht, weil er der Erste war, der mich nach so langer Zeit wieder an meine wahre Existenz erinnerte. Vielleicht würde es mir eines Tages sogar möglich sein, mich mit ihm über meine Herkunft zu unterhalten. Denn das war es, was mir in den dreitausend Jahren meiner Verbannung am meisten gefehlt hatte: ein intelligentes Gespräch mit einem Gegenüber, das mich nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung empfand.
    Bis dahin würde sicher noch Zeit vergehen, aber ich nahm mir vor, die Entwicklung des Jungen genau zu beobachten.Die sah momentan allerdings nicht sehr

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