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ePub: Der letzte Zauberlehrling

ePub: Der letzte Zauberlehrling

Titel: ePub: Der letzte Zauberlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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Unter der Tischplatte schob sich der ständig wechselnde Kopf des Hurwils hervor. Ich hatte aus meinem Fehler vorhin gelernt und beobachtete ihn nur aus dem Augenwinkel. Fieberhaft versuchte ich, mir den Zauber vor meinem inneren Auge geschrieben vorzustellen, um ihn dann von hinten abzulesen. Das war die einzige Chance, die ich hatte. Es half nichts. Mein Kopf blieb leer.
    Doch in diesem Augenblick der höchsten Gefahr machte ich eine Erfahrung, die mir bislang verborgen geblieben war. Als mein Herz am wildesten raste und mein Kopf vor lauter durcheinanderschießenden Gedanken zu platzen drohte, wurde ich plötzlich ganz klar. Mein Atem beruhigte sich, meine Finger lockerten sich und mein Herz hörte auf zu wummern. Vor meinem inneren Auge tauchten die Worte des Regenzaubers wie schwarze Zeichen auf einer weißen Wand auf. Es war, als habe die Bedrohung eine Stärke in mir wachgerufen, von der ich vorher noch nichts gewusst hatte.
    Ich begann, die Kehrversion des Regenzaubers zu intonieren. Den Hurwil beeindruckte das nicht. Er hatte sich unter dem Tisch hervorgewunden und ging, wieder ständig sein Erscheinungsbild wechselnd, erneut in Angriffshaltung. Ich stieß ihm den Schürhaken entgegen, ohne meinen Singsang zu unterbrechen. Dabei hörte ich, wie das Werhörnchen neben mir ebenfalls zu summen begann.
    Dann stieß sich der Hurwil ab und flog auf uns zu.
    Ich riss die Metallstange nach oben und machte einen Schritt zurück. Lothar sprang zur Seite. Das Wesen landete mit einem dumpfen Geräusch auf der Stelle, wo das Werhörnchen eben noch gestanden hatte. Ohne groß nachzudenken, fuhrich herum und ließ den Schürhaken auf seinen Schädel niedersausen. Der Hurwil heulte auf, ging aber nicht zu Boden. Stattdessen wandte er seine Aufmerksamkeit, die bislang Lothar gegolten hatte, mir zu. Er richtete sich zu voller Höhe auf, und das Wechselspiel seines Äußeren beschleunigte sich so sehr, dass mir ganz schummrig vor Augen wurde. Aber ich konnte nicht wegsehen, denn wie sollte ich mich sonst gegen die Bedrohung zur Wehr setzen? Ich versuchte, ihn mir mit der Stange vom Leib zu halten, und vergaß vor lauter Angst den Regenzauber wieder.
    »Nicht aufhören!«, schrie Lothar, der sich hinter mich geflüchtet hatte. Er hatte gut reden! Ich blickte in das Maul eines Monsters, das es auf mich abgesehen hatte, und sollte dabei in aller Ruhe einen Zauberspruch rückwärts aufsagen!
    Ich stieß den Schürhaken in Richtung des Hurwils, aber anstatt zurückzuweichen, schlug er seine Zähne in das Metall. Ich wollte die Stange wieder an mich reißen und zog mit aller Kraft, doch das Wesen hielt meinen Bemühungen stand. Es bewegte den Kopf ein paar Mal schnell hin und her, und ich hatte Mühe, die Stange festzuhalten. Die ganze Zeit starrte es mich dabei mit gefühllosen roten Augen an, die, neben dem Gebiss, das einzig Stabile an seiner Erscheinung zu sein schienen.
    Lothar stieß mich von hinten an, und beinahe wäre ich direkt in die Arme des Hurwils getaumelt. »Der Zauber!«, rief er erneut. Ich nahm die Beschwörung wieder auf, ohne meinen Griff um den Schürhaken zu lockern. Das Monster hielt einen Moment inne und biss dann mit einer kurzen Kopfbewegung den Metallstab durch.
    Ich starrte auf den kurzen Stummel in meiner Hand. Fast automatisch summte ich weiter den umgekehrten Regenzauber vor mich hin, was den Hurwil aber weiterhin nicht im Geringsten beeindruckte. Er spuckte die abgebissene Hälfte des Schürhakens aus und machte sich erneut zum Sprung bereit.
    Ich schloss die Augen und ergab mich in mein Schicksal. In Gedanken erlebte ich noch einmal den Abschied von Gordius. Dass meine Ausbildung zum Zauberer so jäh enden würde, hatten wir uns beide nicht vorgestellt. Jetzt würde ich ihn und meine Heimat nie wiedersehen. In Gedanken verabschiedete ich mich von ihm, Tucker, Johanna und den anderen, die ich kannte, als mich jemand in die Seite stieß. Ich schlug die Augen auf. Neben mir stand Lothar. Von dem Monster war nichts zu sehen.
    »Du kannst jetzt aufhören«, sagte das Werhörnchen. Im ersten Augenblick wusste ich nicht, was er meinte. Dann merkte ich, dass ich noch immer den umgekehrten Regenzauber summte.
    »Hat es ... hat es funktioniert?«, fragte ich mit unsicherer Stimme. Dann klappten meine Beine unter mir zusammen und ich sackte zu Boden. Es gelang mir gerade noch, meinen Sturz mit den Händen einigermaßen abzufedern.
    Lothar blickte von oben auf mich herab. »Typisch Mensch. Die kleinste

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