ePub: Der letzte Zauberlehrling
Landei.« Papillon machte eine Kopfbewegung. »Komm, wir kehren zurück ans Tageslicht.«
Wir verließen den Waschraum durch eine Öffnung in der Wand, die später wohl einmal von einer Tür verschlossen werden sollte, und gelangten in einen ebenfalls gefliesten Tunnel mit gewölbter Decke. Er mündete in einen weiteren Tunnel, der allerdings geschottert war. In Abständen von etwa zehn Metern standen Baulaternen, in deren Schein wir uns orientieren konnten. Irgendwann stießen wir auf eine Gruppe von Arbeitern, die mit Spitzhacken eine Ausbuchtung in die Wand schlugen. Als sie uns ankommen sahen, unterbrachen sie ihre Arbeit.
»Viele Grüße von Jean-Claude«, sagte Papillon, als wir auf ihrer Höhe waren. »Er schickt euch das hier.« Er hielt dem Arbeiter, der ihm am nächsten war, einen dicken Briefumschlag hin. Die misstrauischen Gesichter der Männer hellten sich auf und wir konnten ungehindert weiterziehen.
»Was war das?«, fragte ich ihn.
»Geld«, erwiderte er trocken. »Jean-Claude ist der Vorsitzende der Bauarbeitergewerkschaft und ein Freund meines Onkels. Er schuldete mir noch einen kleinen Gefallen ...«
Ich fragte mich, wer in Paris wohl noch alles Papillon einen Gefallen schulden mochte. Das schien seine Art zu sein, Geschäfte zu machen. Und wie ich aus eigener Erfahrung wusste, funktionierte sie.
Der Tunnel begann langsam anzusteigen und nach wenigen Minuten hatten wir die Unterwelt verlassen und standen in einer riesigen Baugrube. Überall waren Arbeiter damit beschäftigt, Gerüste zu errichten, Maschinen in Stellung zubringen, Rohre zu verlegen oder neue Stollen zu schlagen. In dem Trubel fielen wir nicht auf und drückten uns am Rand entlang zu einer Holzrampe, die uns zurück auf Straßenebene brachte.
Wir befanden uns in einer Gegend, die ich nicht kannte, die aber nicht allzu weit vom Kaufhaus entfernt sein konnte, denn so lange waren wir nicht gelaufen. Papillon führte mich durch ein Gewirr von schmalen Gassen bis zu einem schmutzigen Mietshaus mit vier Stockwerken. Wir kletterten auf der ausgetretenen Holztreppe bis in den dritten Stock, wo sich seine Wohnung befand. Sie bestand aus drei Zimmern, einer Küche und einem Bad und kam mir ungeheuer geräumig vor für eine einzelne Person. Und nicht nur das: Alle Zimmer waren gut möbliert und so sauber, als sei die Putzfrau noch vor einer halben Stunde am Werk gewesen.
Papillon lächelte ein wenig verlegen. »Ich bin so eine Art Putzteufel, verstehst du? Weiß auch nicht, von wem ich das geerbt habe. Meine Eltern waren beide nicht besonders ordentlich und bei uns zu Hause sah es immer aus wie Kraut und Rüben.«
»Vielleicht gerade deshalb«, mutmaßte ich.
»Kann sein.« Er zuckte mit den Schultern. »Wie auch immer, jetzt mach ich uns erst mal einen Tee und dann erzählst du mir alles.«
Wenig später saßen wir auf seinem ausladenden Sofa, den dampfenden Tee und ein paar Kekse vor uns. Ich berichtete über meine Erlebnisse auf dem Land und von meiner Festnahme durch die Sicherheitspolizei.
»Pathé persönlich«, murmelte Papillon. »Das ist schon einebesondere Ehre. Normalerweise befasst er sich nicht mit Kleinkram. Das bedeutet, er betrachtet Prometheus als eine echte Gefahr.«
»Wie geht es ihm? Und wieso ist Agnetha mit ihm abgetaucht?« Nun wollte ich ein paar Antworten auf meine Fragen.
»Nun, die Sicherheitspolizei kam schneller als erwartet, nämlich einen Tag nach deiner Abreise. Irgendjemand hat mir einen anonymen Brief geschickt, in dem die bevorstehende Verhaftung von Prometheus und Agnetha angekündigt wurde. Darauf bin ich sofort zu ihnen und habe sie gewarnt. Wir hatten keine Zeit mehr, groß etwas zu planen oder einzupacken, auch nicht genügend Schnapsvorräte für den Alten. Jetzt ist er auf kaltem Entzug und es geht ihm nicht besonders gut. Da helfen ihm wohl auch seine Zaubersprüche nicht viel. Er liegt den ganzen Tag auf seinem Lager und jammert vor sich hin. Manchmal halluziniert er und sieht sich von riesigen Fledermäusen oder anderen Monstern umringt.«
»Und wo sind sie?« Als ich diese Frage das letzte Mal gestellt hatte, hatte Papillon sich geweigert, sie zu beantworten. Diesmal kam die Auskunft ohne jedes Zögern.
»Ich habe sie in einem Tunnelstück der Metro untergebracht, das derzeit nicht weiter ausgebaut wird«, fuhr er fort. »Wenn es dunkel wird, schaffe ich ihnen immer was zu essen und trinken hin. Aber ewig kann das so nicht weitergehen.«
»Was habt ihr denn vor?«
»Im Augenblick
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