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ePub: Der letzte Zauberlehrling

ePub: Der letzte Zauberlehrling

Titel: ePub: Der letzte Zauberlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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kein totes Wort, sondern etwas Lebendiges. Das können sie nicht verstehen, weil sie am Leben der Menschen nicht mehr teilnehmen. Sie sind so weit von uns einfachen Leuten weg wie früher ein König und seine Fürsten. Bei einem König wusste man wenigstens, woran man war. Unsere Herrschenden heute tarnen sich als einfache Bürger, sodass es viel schwieriger ist, ihr Treiben zu durchschauen.«
    Ich staunte über die Heftigkeit seiner Ansichten. Ich hätte nie gedacht, dass sich Papillon Gedanken über die Politik machen würde, wahrscheinlich, weil ich es auch nicht tat. Wieder einmal beschämte er mich.
    »Hey, du würdest einen guten Politiker abgeben, so wie du redest«, kommentierte ich.
    Er verzog angewidert das Gesicht. »Bloß nicht! Ich wollte nur, dass du verstehst, warum ich bei der Sache mitmache.«
    »Auch wenn du alles aufs Spiel setzt?«
    »Auch dann.« Er lächelte. »Das Leben wäre doch ganz schön langweilig ohne ein bisschen Risiko, findest du nicht?«
    Nein, das fand ich überhaupt nicht. Mein ganzes Leben war ziemlich ereignislos verlaufen, und ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn es so weitergegangen wäre. Die Erlebnisse der letzten Wochen hatten mir ganz schön zugesetzt, und ich glaubte nicht, dass ich mich daran gewöhnen würde. Für Papillon war das sicher anders. Er lebte mit der ständigen Bedrohung, entdeckt zu werden. Für mich war das unvorstellbar.
    Wir spekulierten noch ein wenig über den besten Weg, gegen Pompignac vorzugehen. Dann war es Zeit aufzubrechen. Papillon gab mir eine Umhängetasche und wir packten Brot, Wurst, Wasser, Äpfel, Butter und Käse ein. »Jetzt muss ich wenigstens nicht mehr alles alleine schleppen«, grinste er, als wir seine Wohnung verließen.
    Draußen war die Sonne hinter den Dächern verschwunden.Wieder führte er mich durch ein Gewirr von Gassen und blieb schließlich vor einem Mietshaus stehen, dessen Fassade an einigen Stellen bereits abbröckelte. Es sah, wie auch die Nachbarhäuser, unbewohnt aus.
    Papillon zog einen Schlüssel aus der Tasche, und ich folgte ihm durch die Haustür in einen dunklen Flur, in dem es unangenehm muffig roch. Er ging um die Treppe herum und öffnete eine Holztür, hinter der die Kellertreppe lag. Auf der obersten Stufe stand eine Laterne. Er entzündete den Docht und schloss die Tür hinter uns. Wir stiegen die Treppe hinab und gelangten in einen niedrigen Kellergang, an dessen Ende wir vor einer Wand stehen blieben. Sie war offenbar erst vor kurzer Zeit zugemauert worden, denn die Backsteine sahen noch recht neu aus und waren nicht verputzt, so wie die Wände des Gangs.
    Papillon griff in die Höhe, wo über ihm ein rostiger Haken aus der Wand ragte. Er zog daran und ich hörte ein knackendes Geräusch. Dann drückte er gegen die Steine vor uns, die wie durch ein Wunder zurückwichen. Ich erkannte, dass das Mauerwerk lediglich eine Attrappe war, mit der eine Tür getarnt wurde.
    »Die Häuser hier stehen alle auf der Abrissliste«, erklärte er, während wir durch die Öffnung gingen. »Irgendwann wird hier mal ein Bahnhof für die Metro entstehen, aber das wird noch ein paar Jahre dauern. In der Zwischenzeit benutzen wir es als Lager.«
    Ich fragte nicht danach, wen er mit »wir« meinte und was hier gelagert wurde. Türen waren keine zu erkennen. Ob sie ebenfalls getarnt waren? Nach einigen Metern kamen wir aneine behelfsmäßig zusammengezimmerte Holztreppe, die in die Tiefe führte. Sie endete in einem Gewölbe, dessen Wände in dem Licht der Lampe nur zu erahnen waren. Ein unangenehmer Geruch nach Fäulnis und Verwesung lag in der Luft.
    Papillon schritt unbeirrt voran und zog schließlich eine angerostete Stahltür auf. Wie ein Faustschlag traf mich der Gestank und ich riss mir die Hand vor die Nase.
    »Willkommen in den Abwasserkanälen von Paris«, sagte Papillon. »Vorsichtig jetzt. Der Weg ist ziemlich schmal, und man weiß nicht, was hier so alles im Wasser haust.«
    Er verschwand durch die Türöffnung und ich folgte ihm zögernd. Vor mir lag ein breiter, gewölbter Tunnel, in dessen Mitte eine dunkle Brühe langsam vorwärtsfloss. Oberhalb davon gab es auf beiden Seiten einen schmalen Gehsteig, auf dem man sich, wegen der Deckenwölbung, nur gebückt vorwärtsbewegen konnte. Papillon war bereits ein paar Meter voraus. Die Steine unter meinen Füßen waren feucht, und so schlurfte ich, aus Angst auszugleiten, hinter ihm her. Der bestialische Gestank der Fäkalien legte sich wie eine Hülle über mich und

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