ePub: Der letzte Zauberlehrling
können es versuchen«, fuhr er fort. »Ich bin mir zwar nicht sicher, ob die Kenntnis seines Namens allein ausreicht, um ihn im Zaum zu halten, aber es ist zumindest ein Anfang. Hüte dich trotzdem vor ihm, Bursche.«
»Das werde ich, Meister«, versicherte der Kleine. Damit war das Gespräch vorerst beendet, denn der Alte erlitt einen plötzlichen Schwächeanfall und musste zu seinem Lager zurückgeführt werden. Aber das war noch nicht sein letztes Wort gewesen, dessen war ich mir sicher.
In den folgenden Tagen nahm er den Kleinen wieder unter seine Fittiche, so als sei nichts geschehen. Die beiden hockten häufig zusammen und achteten darauf, dass ich nicht in der Nähe war. Das gab mir natürlich zu denken.
Irgendwann nutzte ich eine Pause in ihren Besprechungen, um ihn mir zu greifen.
»Woher weißt du das mit dem Namen?«, fragte ich.
Statt einer Antwort zog er ein Buch aus der Tasche und hielt es mir hin. Es hieß Das Reich der Dämonen . Er sah mich fragend an. »Nun?«
Jetzt verstand ich vieles besser. Wie war er nur an das Buch gekommen? Meines Wissens waren alle Exemplare vernichtet worden. Offenbar war mindestens eins übrig geblieben, und genau das musste dem Kleinen natürlich in die Hände fallen. Ich versuchte gar nicht erst zu leugnen.
»Es war ein Moment der Schwäche«, räumte ich ein. »Ich war niedergeschlagen und glaubte nicht mehr daran, jemals in meine Welt zurückkehren zu können. Damals schlüpfte ich bei einem der Nachfahren von Nublus unter, der von meiner Existenz wusste und mir anbot, bei ihm zu leben. In langen Gesprächen berichtete ich ihm von meiner Herkunft und unserer Welt. Natürlich wusste ich nicht, dass er das bei der ersten Gelegenheit weitererzählen würde.«
»Es ist erfreulich, dass auch Dämonen schwache Momente haben«, grinste er.
»Erinner mich bloß nicht daran.« Ich verzog mein Gesicht. »Ich lebe wohl schon zu lange unter den Menschen und nehme ihre Eigenschaften an. Schrecklich.«
»Mir gefällst du so ganz gut.«
»Das ist klar. Aber ich bin ein Dämon und werde eines Tages zu meinesgleichen zurückkehren. Dann werde ich das Gespött meiner Artgenossen sein. Ganz abgesehen davon, dass ich es zu nichts mehr bringen werde.«
»Dann bleib doch einfach hier.«
»Wie würdest du dich fühlen, wenn du dein Leben unterMaulwürfen verbringen müsstest, die nichts kennen als ihre dunklen Gänge unter dem Gras?«
»Das Beispiel hinkt ein wenig«, sagte er. »Maulwürfe können nicht reden.«
»Sie können Geräusche machen. Und so klingt eure Sprache in unseren Ohren. Reden und reden ist nicht dasselbe.«
»Ich weiß, wir sind euch hoffnungslos unterlegen. Intellektuell und auch sonst.«
»Sei nicht so sarkastisch, nur weil du jetzt mehr über mich zu wissen glaubst. Der Verfasser des Buches hat eine Reihe von Dingen ziemlich ausgeschmückt.«
»Aber der Grundsatz Traue niemals einem Dämon hat nach wie vor Bestand, oder?«
»Was erwartest du von mir? Selbst wenn ich es dir bestätigen würde, bist du um nichts schlauer. Das ist wie dieses alte Paradox mit den Kretern.«
»Kreter?« Er sah mich verständnislos an.
»Na, die Bewohner von Kreta. Das ist eine Insel im Mittelmeer, falls du es nicht weißt. Und das Paradox lautet: Wenn ein Kreter sagt ›Alle Kreter lügen‹, sagt er dann die Wahrheit?«
Der Kleine grübelte ein paar Minuten angestrengt darüber nach. Dann hellten sich seine Züge auf. »Ich verstehe. Lassen wir es also dabei, dass ich dir nicht traue, bis du mich vom Gegenteil überzeugt hast.«
Eine Frage brannte mir aber noch auf der Zunge. »Und meinen Namen? Wie hast du den rausbekommen?«
Er zwinkerte mir zu. »Du sprichst im Schlaf.«
Ich fuhr zurück. »Unmöglich!«
»Und woher soll ich es sonst wissen?«
»Dämonen sprechen nicht im Schlaf!«, beharrte ich. »Das ist eine typisch menschliche Eigenschaft.«
»Dann bist du vielleicht schon zu lange hier«, grinste er.
»Und selbst wenn«, räumte ich ein, »woher willst du wissen, ob ich meinen Namen spreche oder irgendwelchen Unsinn wie Erdbeermus ?«
Der Kleine pochte auf das Buch. »Hier steht drin, dass eure Sprache ausschließlich aus Konsonanten besteht. Und wenn ein Dämon in unsere Welt kommt, dann stellt er seinen Namen einfach nur um und füllt ihn mit Vokalen. Also habe ich bei Lothar die Vokale gestrichen und bin so auf Lthr gekommen. Und als du mehrfach im Schlaf Thrlx gemurmelt hast, dachte ich mir, das könnte es vielleicht sein. Natürlich wusste ich es
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