ePub: Drachenhaut (German Edition)
Zauber benutzen«, erwiderte Lilya ruhig. »Nie wieder, solange ich lebe. Dies war das letzte Mal. Wenn du mich wieder in Brand setzen willst, werde ich nichts dagegen unternehmen. Ich werde mich nicht gegen deinen Angriff wehren. Ich werde nicht mehr zuhören, wenn du versuchst, mich etwas zu lehren. Du wirst mich nicht mehr für deine Zwecke benutzen können, denn ich weigere mich, dein Spiel mitzuspielen. Ich will, dass du die Zauberkraft von mir nimmst, Naga.«
»Ich kann dir die Zauberkraft nicht nehmen, denn ich habe sie dir nicht gegeben«, rief der Drache. »Du hast sie von deiner Mutter bekommen, und sie hat deine Kräfte noch einmal in ihrem Tod verstärkt, als sie dich in ihrem Blut gebadet und mit ihrem Feuer verbrannt hat. Du bist deine Zauberkräfte. Wenn ich sie dir nähme, wärst auch du nicht mehr.«
Die Dampfwolke zog zur Decke und verschwand, und als die Luft sich klärte, war auch der Drache fort.
Lilya ließ sich auf einen der unbequemen Steinhocker sinken, die als einzige Möbel in dem Gemach standen, und legte das Gesicht in die Hände. Wie lange versuchte der Drache schon, sie zu unterweisen? Sie wusste es nicht, denn die Zeit hier in dieser Welt aus Stein, Feuer und Qualm schien nicht zu vergehen. Es war immer Nacht, durch die Fenster schien immer kalt das Licht der Sterne, die an einem tiefschwarzen Winterhimmel standen. Niemals war der Mond zu sehen, an dessen Wachsen und Schwinden sie die Zeit hätte messen können. Es war immerzu kalt und vollkommen einsam. So einsam, dass sie sogar die Gesellschaft des Drachen herbeisehnte.
Lilya lauschte dem Schlag ihres Herzens und dem Rauschen ihres Blutes. Es war so still. Nichts regte sich in den Mauern der Burg. Kein Vogel, keine Maus, keine Spinne und kein anderer Mensch waren ihr hier je begegnet.
Sie stand auf und verließ das Gemach, nahm eine der endlosen Wanderungen durch die Gänge und Säle, Kammern und Gewölbe der Burg auf. Sie suchte nach dem Tor, durch das sie mit Tedus gekommen war. Wenn sie es fand, würde sie hindurchgehen und weiter durch den äußeren Hof, den Torbogen, die Treppe und den steilen Weg hinunter ...
Sie hörte sich schluchzen. »Seelenbruder«, rief sie, »Aghilas! Rette mich! Befreie mich aus diesem schrecklichen Gefängnis!«
Doch niemand antwortete.
»Warum darf ich nicht unten in der Zuflucht bei Tedus und ihrer Familie wohnen?«, fragte sie. Diese Frage hatte sie wohl schon ein Dutzend Male gefragt und jedes Mal die gleiche, unbefriedigende Antwort bekommen.
Der Drache stützte das Kinn auf die Steinbalustrade, die zwei hallengroße Räume voneinander abgrenzte, und sah sie nur schweigend an. Lilya ließ sich von seinem bohrenden Blick nichtabschrecken. »Ich könnte jeden Morgen hier zu dir in die Burg kommen und abends wieder gehen. Ich vermisse andere Menschen. Ich sehne mich nach Feuer und Lachen und heißem Tee, ich möchte Yani sehen, ich möchte ...« Sie hörte auf zu sprechen und erwiderte das Starren des Drachen. »Warum hältst du mich hier gefangen?«, fragte sie.
Der Drache gähnte, was eigentlich ein erschreckender Anblick war. Lilya zuckte nicht zurück, sie hatte sich inzwischen daran gewöhnt.
»Ich halte dich nicht«, sagte der Drache träge. »Du kannst jederzeit gehen.«
»Das stimmt doch nicht!« Lilya sprang auf die Füße und deutete in die Dunkelheit hinter ihrem Rücken. »Wo ist die Tür, durch die ich gehen könnte? Wo ist das Portal, durch das ich die Burg betreten habe? Du hältst sie vor mir verborgen, Naga!«
Der Drache lachte. Kleine Rauchwölkchen, die ein bisschen nach Zimt rochen, stiegen aus seinen Nüstern. »Wenn ich das könnte, würde ich es vielleicht tun«, gab er vergnügt zurück. »Aber ich kann es nicht. Du hältst dich selbst hier gefangen, Lilya. Niemand sonst.«
»Du und dein nebulöses Gerede«, fauchte sie.
»Was kann ich dazu, wenn du deine Augen nicht aufmachst?« Der Drache schien das Wortgefecht zu genießen.
Lilya schnaubte. Sie war so zornig, dass sie am liebsten Feuer gespuckt hätte wie der Drache. Am Rand ihres Blickfelds glaubte sie kleine Funken zu sehen, die aus ihrer Nase kamen, aber das waren wohl nur die Zornfunken, die in ihren Augen tanzten.
Der Drache lachte dröhnend wie ein tiefer Gong. »Deine Augen leuchten wie Fackeln«, zog er sie auf. »Du bist ein Drachewie deine Mutter. Es ist schade, dass du es nicht wahrhaben willst.«
Lilya drehte sich wortlos um und stürmte hinaus, während sein Lachen laut und höhnisch hinter
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