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ePub: Drachenhaut (German Edition)

ePub: Drachenhaut (German Edition)

Titel: ePub: Drachenhaut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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Träume, wie sie durch die Steppe lief, Seite an Seite mit ihrem Bruder Aghilas, bewiesen die Wahrheit ohne Worte.
    Sie nickte resigniert. »Ich will kein Drache werden. Aber es bleibt mir nicht wirklich eine Wahl.«
    »Nein«, sagte er. Ein Hauch von Bedauern war in seinem Blick. »Nein, ich fürchte, die hast du nicht.«
    Lilya wandte sich zur Tür, die so hoch und breit war wie ein Stadttor. Mit einer beinahe beiläufigen Handbewegung erschuf sie das Zeichen des Schlosses, drehte es um, spiegelte es, als sie sah, dass die Riegel von links nach rechts liefen, und ließ das Zeichen goldgelb erstrahlen. Dann schickte sie es zur Tür und sah zu, wie der Zauber sein Werk tat. Die Riegel erstrahlten dunkelviolett, wurden dann tiefschwarz. Reif bildete sich auf ihnen, die Kälte strahlte bis zu der Stelle aus, an der Lilya stand.
    Mit einem Klirren zersprangen die Riegel, das Schloss schnappte auf, die Tür öffnete sich knarrend einen winzigen Spaltbreit.
    Licht drang durch den Spalt, helles, warmes, blendendes Sonnenlicht.
    »Ah«, machte Lilya sehnsüchtig. Licht, Sonne, frische Luft, ein Draußen! Sie wandte sich heftig zum Naga um, aber der Schlangengott war verschwunden.
    Sie zögerte nur kurz. Sie würde ihn wiedersehen, das war so sicher wie der nächste Atemzug, der nächste Schritt.
    Entschlossen wandte sie sich wieder der Tür zu und legte die Hand auf das kalte Metall. So schwer. Es würde Drachenkraft brauchen, um die Tür aufzuschieben.
    Sie spürte, wie die fremde Kraft bei diesem Gedanken ihren Kopf hob und an die Oberfläche strebte. Mit einer winzigen Anstrengung, als höbe ein Kind eine Erbse auf, bewegte diese Kraft die schwere Tür und öffnete sie. Streckte sich dann aus, drängte hervor, wollte ganz und gar ans Licht, wie ein Reptil aus seinem papierdünnen Ei schlüpft.
    Lilya schnappte nach Luft und drängte die fremde, kalte Kraft ins Dunkel zurück. Sie war nicht bereit – und würde es, wenn es nach ihr ging, auch niemals sein!

K ATZENAUGE
    Sie hatte die Hälfte des Abstiegs zur Zuflucht bereits hinter sich, als es ihr auffiel. Bis dahin war sie, als sie den Weg hinunterlief, so sehr davon in Anspruch genommen, die Fülle an Licht, das angenehme Gefühl der Hitze auf ihrer Haut, die Farben und Gerüche und das Streicheln des Luftzugs zu genießen, dass die Erkenntnis sich erst den Weg durch all die vielen Eindrücke bahnen musste. Dann aber traf sie Lilya wie ein Schlag ins Gesicht.
    Sie blieb stehen und ihr Herz schlug bis zum Hals. Sie sah sich um. Ein klarblauer Himmel. Die Hitze, die von den Steinen aufstieg. Blendendes Licht. Eine weiße Sonne, deren Strahlen stachen wie glühende Nadeln.
    Die Angst packte ihr Herz und drückte es fest zusammen. Lilya schnappte nach Luft und begann zu rennen, den steilen Pfad hinunter, bis sie die ersten Häuser erreichte. Stille lag über der Zuflucht. Totenstille. Irgendwo raschelte trockenes Gestrüpp und ein Fensterladen schlug. Kein Kamelgebrüll und kein Geschirrklappern, kein Schimpfen und kein Singen, keine Schritte und keine Stimmen. Stille.
    Lilya blieb auf dem Platz stehen, an dem das Haus ihrer Familie lag. Sie drehte sich verzweifelt im Kreis, während die Sonneunbarmherzig heiß auf ihren Kopf niederbrannte. Dann sah sie zur Burg hoch, und wieder durchfuhr sie heißer, kalter, schmerzhafter Schreck: Der Berggipfel war so still und leblos, unberührt und unbewohnt wie die Zuflucht. Die wuchtigen Mauern und Türme der Burg waren verschwunden.
    Lilyas Beine gaben nach. Sie hockte mitten im Staub und Sand des verlassenen Platzes und weinte.
    Es wurde immer heißer, je höher die Sonne stieg. Lilya schleppte sich in den Schatten eines Hauseingangs. Die Karawanen waren längst abgereist. Der Herbst war vorübergegangen und der Winter hatte dem Frühling Platz gemacht. In den letzten Wintertagen hatten sich die Wüstenleute wieder auf den langen Rückweg gemacht ‒ ohne Lilya.
    Sie schauderte trotz der Hitze. Woher wollte sie wissen, dass nur ein Winter vergangen war? Sie hatte das Verstreichen der Zeit innerhalb der Burgmauern nicht gespürt. Womöglich war es wie in den alten Geschichten, wo jemand zufällig das Schloss einer Peri betrat und dort eine Nacht oder sogar eine Woche blieb ‒ fürstlich bewirtet von einer freundlichen Fee, die ihn danach reich beschenkt wieder nach Hause schickte. Aber zu Hause erkannte ihn dann niemand mehr, sein Haus war von Fremden bewohnt, seine Freunde und seine Familie schon lange gestorben, zu Staub

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