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ePub: Drachenhaut (German Edition)

ePub: Drachenhaut (German Edition)

Titel: ePub: Drachenhaut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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kleinen Sänfte und schloss für einen winzigen Schlummer die Augen.
    Ein kahlköpfiger Mann saß ihr gegenüber in der Sänfte, die kaum genug Platz für sie und ihre Einkäufe bot. Er sah sie an. Sein Blick war so starr wie der eines Reptils. Licht und Schatten tanzten über sein Gesicht, das mal das eines Menschen, mal das einer riesigen Schlange zu sein schien. Schuppen und Haut, eine gegabelte Zunge und verschleierte Augen, die grünlich-gelblich changierten wie seltsam feurige Opale.
    »Wer bist du?«, fragte Lilya. »Warum verfolgst du mich?«
    Der Mann ‒ jetzt trug er wieder einen Menschenkopf auf den Schultern ‒ verzog den schmallippigen Mund zu einem überraschten Lächeln. »Deine Sicht schärft sich, Tochter der Schlangen«, sagte er. »Und deine Drachenhaut wird dir bald zu schaffen machen. Sei auf der Hut, dass der alte Mann sie dir nicht abzieht.« Er lachte zischend, und eine lange, gespaltene Zunge fuhr auf ihr Gesicht zu, betastete sie kitzelnd, zog sich wieder zurück. »Du wirst dem Tier begegnen. Wenn du es zähmen kannst, folgt es dir.« Der Mann berührte ihre Schläfe. Seine langen, kühlen Finger waren trocken und glatt wie weiches Leder. »Vergiss mich, bis wir uns wiedersehen«, sagte er. Wieder blickten sie Schlangenaugen prüfend an, grün schillernde Halbkugeln, in denen regenbogenfarbene Funken blitzten. Lilya wollte die Hand heben, um sich vor dem Blick zu schützen, der bis ins Innerste ihrer Seele zu schauen schien, aber sie konnte kein Glied rühren. Ihre Zunge gehorchte ihr genauso wenig wie ihre Hände, sie konnte weder den Kopf drehen noch die Augen schließen. Die grüngoldenen Augen wurden zu großen, tiefen Teichen, in deren Tiefe Ungeheuer lauerten, und sie fiel hinein, versank, ertrank ...
    Mit einem Ruck fuhr Lilya hoch. »Wir sind da, mein Rosenblatt«, rief Ajja und öffnete die Tür der Sänfte. »Leg deinen Schleier an. Schau, dort drüben gibt es wunderhübsche Armreifen.«

T ALISMAN
    Alle Einkäufe lagen in der Sänfte, und Lilya betastete prüfend die Päckchen, während sie aufzählte, was sich darin befand. »Ein bestickter Gürtel und ein Ohrgehänge für Tante Gulzar«, sagte sie. »Ein Paar neue Pantöffelchen für Lilya, weil ihre alten zu klein geworden sind. Eine schöne, neue Dupatta für Ajja, damit sie dem Pastetenkoch den Kopf verdrehen kann.«
    Sie betastete das Päckchen, in dem sich der zusammengefaltete breite und lange Schal befand. Die Dupatta war zartblau mit einer rosenfarben und grün bestickten Kante. Ajja würde schrecklich schimpfen und die Hände zusammenschlagen und behaupten, dass so ein schönes Kleidungsstück nicht zu einer alten Kinderfrau passe und Lilya das Geld ihres Großvaters nicht so zum Fenster hinauswerfen solle ‒ aber sie würde sich insgeheim freuen und die Dupatta stolz wie ein Pfau zum Frühlingsfest tragen.
    Lilya nahm das nächste Päckchen in die Hand und drückte es vorsichtig. Das war das Konfekt, das sie Yani mitbringen wollte. Er hatte ihr erzählt, dass die Küchensklaven immer die Reste essen durften, er aber als Jüngster niemals etwas von den Süßigkeiten abbekam, die den älteren Sklaven zustanden. »Aberich esse ohnehin nicht gerne Süßes«, hatte er dann behauptet, obwohl seine Augen etwas anderes sagten.
    »Wir haben alles«, sagte sie. »Lass uns ... oh nein!« Lilya schlug die Hand vor den Mund. »Ajja, ich habe Großvaters Geschenk vergessen!«
    Das Kindermädchen, das neben der Sänfte hockte und sich müde die staubigen Zehen massierte, blickte auf und sah Lilya fragend an. »Was wolltest du ihm denn mitbringen? Ich schicke Teto, damit er es holt.«
    Lilya schüttelte energisch den Kopf. Sie sprang aus der Sänfte und sah sich um. »Dort muss ich hin.« Sie zeigte auf den düsteren Eingang zu einem labyrinthischen Gängegewirr, das sich zwischen den Schmuckmachern und dem Lederviertel erstreckte.
    »Was willst du denn an diesem unheimlichen Ort finden?« Ajja stand auf und ächzte leise.
    »Setz dich in die Sänfte«, befahl Lilya. »Ich nehme Teto mit. Ich habe mich ein wenig ausruhen können und bin gleich wieder zurück.«
    Ajja widersprach halbherzig, aber das Gähnen, das ihr den Mund weitete, unterbrach ihren Protest. Lilya winkte dem dicken Teto, der eine ergebene Verbeugung machte, und durchquerte, ohne abzuwarten, ob er ihr folgte, den Durchgang.
    Das Dämmerlicht in dem Gang stammte von Fackeln und Öllampen. Die Gewölbe waren finstere Höhlen, in denen der matte Glanz magischer

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