ePub: Drachenhaut (German Edition)
etwas ausrichten?«
Amayyas hörte, dass einige begannen, sich Schritt für Schritt rückwärts aus der Sackgasse zu entfernen. »Ein Beschwörer«, hörte er murmeln. »Lass uns jemanden holen, der ihn ...« Die ersten flohen aus dem Gang und nur ein mutiges (oder tollkühnes) Häuflein verharrte und schob sich sogar einen Schritt näher. Das Fackellicht tanzte über die Wände, streifte seine Flanke. Er atmete lautlos und tief ein. Jetzt musste er sie angreifen, sonst war es zu spät. Aber sie waren immer noch ein paar Schritte zu weit entfernt. Selbst mit einem mächtigsten Satz würde er kurz vor ihnen aufkommen und genau in ihre Waffen springen. Er zwang sich, tief geduckt zu verharren.
»Geh du voran, Jandal«, hörte er einen von ihnen sagen. »Du hast den Spieß. Ich folge dir mit dem Bannsilber.«
»Umgekehrt«, widersprach ein anderer. »Erst das Bannsilber. Geh du zuerst, Murdad.«
Keiner bewegte sich.
Amayyas erhob sich lautlos und langsam. Wenn sie nicht zu ihm kommen wollten, dann musste eben er zu ihnen gehen. Im dunklen Schatten machte er einige Schleichschritte auf die zaudernden Männer zu. Möglicherweise reichte dies ja: Er holte Luft und brüllte.
Erschreckte Schreie antworteten ihm. Er sah, dass die Männer bis auf einen kehrtmachten und davonrannten. Der letzte stand erstarrt genau vor ihm und zitterte am ganzen Leib. Amayyas erhob sich, sprang auf ihn zu und riss das Maul auf, um seine Fangzähne zu zeigen. Der Mann kreischte in den höchsten Tönen, ließ seinen Spieß fallen, fuhr herum und flüchtete hinter den anderen her.
Amayyas lauschte und spürte mit zitternden Tasthaaren. Die Luftbewegungen hörten auf. Er war allein in diesem verfluchten Gang. Langsam, behutsam, vorsichtig machte er sich auf den Weg zurück. Er musste dieses Labyrinth verlassen, wenn er den Tag überleben wollte.
Dunkelmond. Es war zu früh, viel zu früh!
Er lief geduckt, lautlos, nutzte die Schatten und sich leerenden Gänge. Es musste wie ein Lauffeuer durch den Basar gegangen sein, dass ein Yuzpalang durch die Gänge streifte. Viele der Gewölbe waren verschlossen, mit Kisten verstellt, die Auslagen hastig eingeräumt, die Lampen gelöscht. Dies war die Gelegenheit, noch einen Fang zu machen, um seinen brüllenden Hunger zu stillen, seinen bohrenden Durst nach Blut zu befriedigen. Eineinsames, einzelnes Opfer, wehrlos, ohne Schutz und Beistand. Jetzt und hier. Er stellte die Ohren auf, richtete zitternde Tasthaare in die kaum spürbaren Luftströmungen. Dort vor ihm bewegte sich jemand, und es waren unsichere, zögernde Schritte, die er spürte. Er roch Furcht. Seine Schritte beschleunigten sich. Durst. Der Durst war unstillbar stark. Er musste trinken, jetzt. Und dann den Hunger besänftigen. Dann einen Platz finden, um zu schlafen. Aber erst das Mahl ...
Er lief schnell und geduckt, ein schwarzer Schatten inmitten der Dunkelheit. Keine Fackeln mehr, keine Lampen. Vor ihm eine helle, zierliche Gestalt, die sich durch den düsteren Gang bewegte. Noch schneller. Muskeln spannten sich zum Sprung.
Der Mensch schien etwas zu spüren oder zu hören. Er verharrte und sah sich um. Eine Menschenfrau, ein junges Mädchen. Das Gesicht ein helleres Oval in der Dunkelheit. Große Augen, schimmernd hell das eine, düster glimmend das andere. Er zögerte. Was war mit diesem Auge? Es schien ihn zu fixieren, aufzuspießen. Sein Blick schmerzte wie ein zu starker Lichtstrahl.
Er fauchte unwillkürlich. Zögerte. Verharrte, wich sogar zurück. Der Blick bohrte sich in sein Inneres, schälte ihn wie eine Zwiebel, ließ sein zitterndes Selbst ungeschützt und nackt im blendenden Licht stehen. Wieder fauchte er, duckte sich, wich weiter zurück.
Das Mädchen drehte sich vollends um und kam auf ihn zu. »Kannst du mir helfen?«, sagte sie. »Ich habe mich verlaufen.«
Er verharrte in geduckter Haltung, legte die Ohren an. Seine Verblüffung war grenzenlos. War dieses Mädchen verrückt? Und was sah sie, wenn sie ihn so anblickte?
Rufe, Schritte, lauter werdende Stimmen. »Lilya Banu«, rief ein Mann. Seine Stimme zitterte. »Lilya Banu, beweg dich nicht. Wir kommen. Wir retten dich!«
Das Mädchen hob hastig den Kopf, schaute über die Schulter. Ihre Stirn runzelte sich unwillig. »Teto«, sagte sie laut. »Wo warst du? Ich sollte dich auspeitschen lassen!«
Amayyas knurrte. Ihm war schwindelig und er fühlte sich erschöpft und krank. Es war viel zu früh für eine vollständige Verwandlung, und in ihm kämpfte
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