Er lockte mit dem Jenseits
Und genau diesen Weg habe ich gefunden...«
»Wer bist du dann?«
»Rate mal.«
»Ich habe keine Ahnung.« Glenda sprach auch weiterhin gegen den Rücken der Gestalt.
»Manche sehen mich als Engel.«
»Aha.«
»Andere sagen Dämon zu mir«, erklärte er ihr.
»Bist du auch ein Mensch?«
»So hast du mich gesehen.«
»Und wo kommst du her?«
Sie hörte ein Kichern. »Ich bin nicht geboren, ich bin entstanden, verstehst du? Man hat mich hergestellt. Es kam bei mir so viel zusammen. Der Geist, die Materie, die Höllenkräfte, und so hat der große Luzifer es vollbracht, jemand zu erschaffen, für den es keine Grenzen gibt. Ich bin auf der einen Seite Mensch, wenn ich mich unter euch bewege, und auf der anderen Seite das Dunkle, das Geheimnisvolle, das Feinstoffliche und das Tor zum Jenseits.«
Glenda blieb recht gelassen und schaffte es sogar, ihre nächste Frage mit normaler Stimme zu stellen. »Dann wirst du auch in deiner Welt den Seelen der Verstorbenen begegnen, nicht wahr?«
»Unsinn, verdammter Unsinn. So stellen sich die Menschen das Jenseits vor. Sie wollen es als schönes Märchen erleben, aber dem ist nicht so, überhaupt nicht. Es gibt unzählige Varianten, gewaltige Reiche, und aus einem bin ich gekommen. Mich hat die Handschrift des großen Luzifer gezeichnet...«
»Dann bist du so etwas wie sein Kind.«
»Ja.«
Glenda Perkins überlegte fieberhaft, ob sie den Rückzug antreten sollte. Der Weg zur Tür war nicht versperrt, und wenn sie ehrlich zu sich war, fühlte sie sich überfordert. Das war keine Sache für eine einzelne Person, hier ging es um mehr, und John Sinclair würde perfekt herpassen.
Sie wich zurück.
Dabei ließ sie Marty Modine’s Gestalt nicht aus den Augen. Wenn er auf der einen Seite ein Mensch war und auf der anderen ein Geschöpf aus einer anderen Dimension, dann konnte es leicht sein, dass er sich verwandelte und in zwei verschiedenen Gestalten den normalen Menschen gegenübertrat.
Das schien zuzutreffen. Während sich Glenda rückwärts bewegte, nahm sie wahr, dass sich Modine veränderte. Noch nicht so auffällig, aber an den Seiten seines Körpers fingen die Umrisse an, leicht zu wabern. Das deutete schon auf eine Veränderung hin, obwohl der Körper den menschlichen Umriss behielt.
Nur schien er einzudunkeln, und das gefiel ihr nicht. Wenn Modine sich umdrehte, wollte sie diese Kabine verlassen haben und bereits auf dem Weg nach oben sein.
Glenda ging noch einen langen Schritt zurück. Sie setzte ihren rechten Fuß dabei lautlos auf, drehte sich etwas und streckte ihren Arm vor. Ihre tastende Hand fand die Tür. Das kühle Metall tat ihr gut, und dann zerrte sie die schwere Sicherheitstür auf.
Der Fluchtweg war frei!
Bevor die Tür wieder zuschwingen konnte, setzte sich Glenda ab. Sie schaffte den Sprung durch die Lücke und war heilfroh, freie Bahn zu haben. Egal, was gerade an Deck passierte, sie würde sich nicht an die Regeln halten. John Sinclair musste eingreifen.
Im Gang hatte sich nichts verändert. Nach wie vor gab es die schwache Beleuchtung, die sich bis zur Treppe hinzog. Die weiß gestrichenen Metallstufen zu sehen tat ihr gut.
Sie lief hin – und stoppte so hart, als wäre sie von einer unsichtbaren Kraft geschlagen worden.
Das traf zwar nicht zu, aber was sie sah, beendete ihre Träume von der schnellen Flucht.
Vor der untersten Stufe stand eine düstere Gestalt. Sie sah nicht mehr aus wie Marty Modine, doch Glenda wusste genau, dass er es war und kein anderer.
Sie konnte nicht mehr weiter. Sie atmete heftig, und auch ihr Herz schlug schneller. Doch sie drehte nicht durch. Ihr Blick blieb an dieser fremden Gestalt hängen. Sie hatte das Gefühl, vor einem leicht durchsichtigen Wesen zu stehen.
Jetzt streckte es Glenda seine Hand entgegen, die für sie zu einer Klaue wurde. Zudem besaß sie eine grünliche Farbe, die noch einen leichten Glanz aufwies.
Glenda musste zugeben, dass sie Modine unterschätzt hatte, und das tat ihr weh. Aber sie wusste auch nicht, wie sie sich hätte anders verhalten sollen.
»Der Weg ist für uns frei, Glenda, der Weg ins jenseits...«
***
Ich hörte hinter mir einen schrillen Schrei. Der Stimme nach zu urteilen, konnte ihn nur Henriette ausgestoßen haben. Doch das war im Moment egal, ebenso wie die zwei Rückkehrer. Ich musste mich um das verdammte Messer kümmern, das offensichtlich durch Telekinese bewegt wurde, denn niemand hielt es in der Hand. Es schwebte noch immer über dem Boden und drehte sich
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