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Er war ein Mann Gottes

Er war ein Mann Gottes

Titel: Er war ein Mann Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jäckel
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ansonsten bei uns zahlreichen Touristen an.
    »Willst du zum Marienstöckle hinauf?«, fragte ich und bedauerte: »Blöd, dass ich nicht die richtigen Schuhe dafür anhab.«
    »Das passt schon.« Frederic warf einen Blick auf meine hellen Leinenschuhe, die mit einem dicken Gummirand umgeben und damals der letzte Schrei unter uns Mädchen waren. »Steckst sie danach halt in die Waschmaschine.«
    Meine Mutter würde sich bedanken. Aber ich widersprach nicht.
    Rasch wollte ich die Beifahrertür aufstoßen und aussteigen, doch Frederic hielt mich an der Schulter zurück. »Halt, halt, nicht so eilig! Erst der Sekt!«
    Ich zögerte wohl einen Augenblick zu lange, so dass er zu meiner Beruhigung sein schönes Lächeln aufsetzte, vor dem selbst meine Mutter dahinschmolz. »Das ist doch nichts Schlimmes. Zur Feier des Tages, Cora. Weil wir endlich mal wieder beisammen sind.«
    Er überzeugte mich.
    Lachend, weil er keine Gläser dabeihatte, tat er selbst den ersten Zug aus der Flasche und bot sie mir dann an. »Aber auf ex. Richtig trinken, nicht schummeln.«
    Abwechselnd trinkend, leerten wir das schäumende, süß prickelnde Getränk, als ob es sich dabei um Sprudelwasser handelte. Wenn ich daran denke, wie oft ich an der Reihe war, glaube ich, dass Frederic kaum etwas zu sich nahm. Ich dafür umso mehr. Der Alkohol stieg mir sofort zu Kopf.

    »Komm!« Innerhalb kürzester Zeit war die Flasche halb leer und Frederic stieß die Tür auf. Der Boden unter meinen Füßen stand schief, als ich auszusteigen versuchte. Frederic reichte mir die Hand. Wie in Zeitlupe trat ich neben ihn und folgte ihm in den wunderbar grünen Wald, dessen Bäume vor uns zur Seite wichen und mit weichen Blätterfingern mein Gesicht streichelten. »Ich träume«, dachte ich und fühlte mich leicht und lachte, weil der schwarze Waldboden ein bisschen glitschig war und so viel Matsch unter meinen Schuhen klebte, als hätte ich Spiralfedern wie Spirou, meine Lieblingscomicfigur.
    Frederic lachte auch. Er ließ meine Hand nicht los, bis wir durch die grünen Streichelblätter hindurch waren und wie in einem grünen Zimmer ankamen, mitten im Wald. Das war so witzig. Und so schön. Es konnte nur ein Traum sein. Es gab doch gar kein grünes Zimmer im Wald mit Wänden aus Blättern und einer Decke aus Blättern und einem Teppich so grün und seidenweich, dass meine Füße darin versanken.
    Tanzte Frederic? Er hatte meine Hand losgelassen und drehte sich mit ausgebreiteten Armen um sich selbst. »Schön?«, fragte er. »Gefällt’s dir?«
    In meinem Kopf antwortete es: »Wenn du da bist, gefällt es mir überall.« Aber die Zunge war eingeschlafen. Ein verrückter Traum war das. Oder war es gar kein Traum?

    Es war im August. Obwohl es schon weit nach zehn Uhr abends und wir mitten im Wald waren, war es noch recht hell. Frederic ließ sich auf der Lichtung fallen, wo er gerade stand, und streckte mir lockend die Hand entgegen. »Setz dich!«
    Obwohl der Alkohol in meinem Kopf wirbelte, zögerte ich. Ich war nicht betrunken genug, um zu vergessen, dass ich meine neuste, eine rosafarbene, pludrig weit geschnittene Hose aus zarter Baumwolle mit festen Bündchen um die Knöchel trug. Modisch ebenso up to date wie meine Schuhe, recht teuer und noch keine drei Tage alt. Meine Mutter würde sich aufregen, wenn ich mit Grasflecken darin nach Hause käme. Sicher würde sie fragen, woher die denn stammten, da ich die Hose an diesem Tag doch zum ersten Mal außer Haus angezogen hatte und nur in die Kirche hatte gehen wollen. Was sollte ich dann antworten? Etwa: »Ich hab mit dem Vikar im Wald gelegen?«
    Inmitten meines Traumgefühls stieg Unbehagen in mir auf.
    »Was ist?« In Frederics Stimme schwang ein Unterton mit, den ich nicht mochte. Rasch setzte ich mich ins Gras, das sich sofort unter mir zusammenzuschieben schien und alsbald ein feuchtes Gefühl an meinem Po erzeugte. Der Waldboden unter den Graspolstern war moosig und trotz des Sommers nass wie ein Schwamm. Es kam mir vor, als wachte ich auf.
    »Meine Hose.«
    Frederic lachte. »Na und? Man kann sie ja wohl waschen.«
    Trotzdem breitete er seine Strickweste für mich über dem Gras aus und nahm gleich darauf dicht neben mir Platz.

Antworten auf die Fragen der Nacht

    Schweigen breitete sich zwischen uns aus, bis Frederic sich auf den Rücken sinken ließ, die Arme unter dem Kopf verschränkte, einen langen Grashalm zwischen die Zähne schob und einladend meinte: »Komm doch.«
    »Ach, nö.« Ich fühlte

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