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Er war ein Mann Gottes

Er war ein Mann Gottes

Titel: Er war ein Mann Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jäckel
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fehle. Es dürfe jedoch nicht passieren, weil es verboten sei. Deshalb müssten wir Gott und einander jetzt fest versprechen, dass wir es künftig nie mehr so weit kommen lassen würden.
    Auf die Frage, ob ich meine Sünde bereue, bejahte ich dies aus tiefstem Herzen und gelobte mit Überzeugung Besserung. Da sprach Frederic mich mit seiner schönen sonoren Stimme von der Sünde los und erteilte uns beiden den Segen des Herrn.
    »Gott hat uns verziehen«, erklärte er anschließend und schenkte mir zur Erinnerung an unser Gelöbnis dieses Neuanfangs eine seiner Haarlocken, die ich in dem Medaillon meiner verstorbenen Tante verschloss.

    »Haare«, erzählte Frederic mir, »binden stärker als alles. Früher betrieben die Hexen damit einen Liebeszauber, indem sie heimlich Haare in ein Armband einflochten, das die Mädchen ihren Geliebten verehrten. Sobald die Burschen es trugen, kamen sie nicht mehr von den Mädchen los. In Brasilien, wo ich einige Zeit als eine Art Streetworker der Kirche bei den obdachlosen Kindern war, benutzen die Macumba- und Voodoo-Priesterinnen noch heute Haare, um kleine Puppen herzustellen, mit deren Hilfe man Feinde umbringen oder Liebe beschwören kann. Also pass gut auf die Locke auf. Okay?«
    Leider waren die Haare in seiner Locke zu kurz, um mir daraus ein Armband zu flechten. Trotzdem war die geringelte Haarsträhne für mich wie ein Ring, von dem keiner etwas wissen durfte.

    In meinem Horoskop stand für diesen Tag: »Für dich läuft es prima. Du wirst von jemandem anerkannt, der in der Vergangenheit auf dich herabsah.«
    Frederics Haarlocke war das Zeichen dieser Anerkennung. Früher, so deutete ich die Verheißung des Horoskop, hatte er unerreichbar weit über mir gestanden. Er, der Priester, der Vikar, der Gottesmann, hatte quasi aus seiner himmlischen Ferne auf mich heruntergeschaut. Jetzt war er für mich Mensch geworden, indem er mir seine Freundschaft und seine Locke als Freundschaftspfand geschenkt hatte. Damit, so glaubte ich, wollte er mir zeigen, dass wir nun ganz heimlich als Freunde auf einer Ebene stünden.
    Voller Dankbarkeit fiel ich ihm um den Hals und verehrte ihm als Gegengeschenk mein blaues Halstuch, das Frederic sich schon in Assisi von mir gewünscht hatte. »So gut wie dein Tuch müsste man es haben«, hatte er damals gesagt. »Immer an deinem Hals und ganz nah an deinem Herzen.« Jetzt sollte mein Tuch ihn daran erinnern, dass er als mein Freund den besten Platz in meinem Herzen hatte.

Der Schmerz der Sünde

    Das Perfide unserer Begegnungen lag darin, dass ich sie trotz meines schlechten Gewissens nicht zu beenden vermochte und ihr Verlauf für mich unberechenbar geworden war.
    Natürlich hatten Franziska und ich bereits an jenem Abend in Assisi erkannt, dass Frederic mich »unkeusch« berührt hatte. Das war ein Tabu. Auch das wussten wir. Aber damals hatten wir alles dem Alkohol zugeschrieben. Das bedeutete, dass Frederic nicht wusste, was er tat. Das war normal, wenn man betrunken war. Das hatten wir bei den Erwachsenen gesehen.
    Hinzu kam, dass keiner ihm in der Pizzeria verübelt hatte, dass er seine Finger nicht bei sich behalten hatte. Die Jungen hatten verständnisvoll geschmunzelt. Ein paar Mädchen hatten empört getan. Und alle hatten phantasiert, was sie wohl an meiner Stelle gemacht hätten.
    Wenn jemand schief angeschaut worden war, dann war ich das. Und zwar deshalb, weil ich gleich am ersten Abend in Assisi zu einem Mädchen, das das Zimmer mit mir teilte, gesagt hatte, dass ich mich in Frederic verknallt hätte und ihn total süß fände.
    »Wie kannst du nur!«, hatte ich da zu hören bekommen. Aber ernst nahm das niemand. Ich schien einfach mal wieder zu spinnen. Daran war man gewöhnt.
    Also hakten Franziska und ich meine unangenehme erste Erfahrung mit Frederics »komischen« Anwandlungen als »Blödsinn« ab.
    »Du musst das vergessen«, riet mir Franziska, die Kluge, immer Besonnene. »Das war eine Ausnahme. Das war wegen des Alkohols. Du hattest getrunken. Er hatte getrunken. Das war nichts. Vergiss es!«
    Wenngleich die Assisi-Szenen weiterhin in mir bohrten, hatte ich versucht, sie zu verdrängen. Sie sollten nicht wahr sein. Das ging so weit, dass ich irgendwann darüber nachgrübelte, ob ich sie mir ausgedacht hätte. Aber es half nichts, etwas in mir erinnerte sich haargenau. Es sagte mir: »Du bist schuld. Du hättest dich nicht neben ihn setzen müssen. Du hättest nicht mit ihm gehen müssen.«
    Diese Gedanken waren das

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